Die schöne Betrügerin
woanders hingehen, sobald er sich von der Gefangenschaft erholt hatte.
Aber nicht nach London. Niemals nach London.
London bedeutete James und Robbie und die Liars. London bedeutete einen Schmerz, den sie gewiss nicht überleben würde.
Trotzdem konnte sie jetzt nicht einfach so davongehen.
Sie setzte sich in den großen Sessel hinter James’ Schreibtisch, einen schweigsamen traurigen Robbie auf dem Schoß. Seine Beinchen baumelten über dem Boden, und er war schwer, aber sie genoss es, ihn in den Armen zu halten.
Schließlich war es Zeit zu gehen. »Gib mir zum Abschied einen Kuss, mein Schatz. Meine Kutsche wartet.«
»Noch nicht, meine Meisterin der Verkleidung«, sagte eine tiefe Stimme.
James stand unter der Tür, eine breite Schulter an den Türstock gelehnt. Sein Haar war vom Wind zerzaust, und er hatte einen kleinen Tintenklecks auf der Wange. Seine braunen Augen wirkten schwarz, so eindringlich war der Blick, mit dem er sie fixierte.
Robbie wischte sich mit der Hand die Nase. »James, Flip sagt, dass sie geht.«
»Ich werde mich um die Sache kümmern, mein Junge, falls du uns freundlicherweise allein lassen würdest.«
Robbie klammerte sich an Phillipas Hals fest. »Nein, sonst geht sie vielleicht.«
James sah seinen Sohn an. »Rob, ein guter Liar weiß, wann er seine Mission einem Spezialisten überlassen muss.«
»So.« Robbie rutschte von Phillipas Schoß und lief hinaus, bevor sie ihm einen Abschiedskuss geben konnte.
Phillipa stand auf, den Schreibtisch zwischen sich und James.
»Ich sollte jetzt wirklich gehen.«
»Bitte, bleib noch einen Augenblick. Du musst mir bei etwas helfen.« Er zog ein gefaltetes Blatt Papier aus der Brusttasche. »Fisher kriegt es nicht heraus. Ich dachte, vielleicht schaffst du es, falls du die Zeit erübrigen kannst.«
»Oh, natürlich.« Phillipa fühlte sich seltsam ernüchtert, nahm das Schreiben und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Sie nahm einen angespitzten Stift aus der Schublade und untersuchte das Papier.
»Es scheint sich um einen simplen alphabetischen Ersetzungscode zu handeln. Wenn wir den gebräuchlichsten Buchstaben des Alphabets nehmen, das E, und herausfinden, welches Symbol ihn ersetzt -« Sie sah argwöhnisch zu ihm auf. »Fisher hätte das ohne weiteres dechiffrieren müssen.«
James zuckte die Achseln, zupfte aber nervös an seiner Halsbinde herum. Phillipa blinzelte irritiert. Was hatte er? Dann lenkten sein Kinn sie ab und die schokoladenbraunen Locken, die sich hinter seinem Ohr …
Der Code. Ja. Sie schluckte, zwang sich zur Konzentration. »Da ist eine interessante numerische Verdrehung«, murmelte sie. »Nicht schwierig, aber gut getarnt. Wer immer das gemacht hat, ist ziemlich routiniert.«
James gab einen Laut von sich, der sie aufschauen ließ. »Soll ich das dechiffrieren oder willst du?«
Er schüttelte den Kopf.
Sie machte sich wieder an die Arbeit. Die vertraute Tätigkeit beruhigte sie. Sie wusste nicht, was Papa mit seiner Zeit anfangen wollte, sobald er wieder in Spanien war, aber vielleicht konnten sie ja Zusammenarbeiten.
Die Codierung löste sich, wie von Zauberhand erschienen die Buchstaben. Sie lächelte. »Ich habe es.«
James beugte sich vor. »Lies vor.«
Sie hob beschwichtigend die Hand. »Drängle nicht so.« Sie legte den Kopf zur Seite und äugte das Blatt an. »Es scheint sich um eine Art Gedicht zu handeln.« Sie las es schweigend für sich allein.
Du bist das Ende und der Anfang.
Du bist die, die ich des Nachts umschlingen will.
Du bist die, die ich des Morgens atmen will.
Wenn ich sterbe, werd ich nur eines bedauern, dass ich dich nie in meinem Herze hab wohnen lassen und du nie gehört hast, wie es singt, wenn du mich berührst.
Du bist mein Traum. Du bist meine Freundin.
Du bist meine große Liebe.
Phillipa schluckte schwer. Sie zwang ihr Herz, langsamer zu schlagen, und wagte nicht zu glauben, was sie da gelesen hatte. Sie kniff die Augen zusammen, bis sie das Zeichen am unteren Rand der Seite deutlicher erkennen konnte. »Da… da steht eine Art Symbol auf dem Blatt, eine Signatur. Ich bin nicht sicher… es sieht wie eine Mischung aus Löwe und Adler aus, wie ein -«
»Ein Greifvogel… ein Griffin.« Seine Stimme war leise und eindringlich.
»Ah.« Ihrer Stimme war nicht zu trauen.
James rutschte nervös herum. »Ich habe das doch korrekt hinbekommen, oder? Ich habe nicht irrtümlich geschrieben, dass ich deine Strümpfe tragen will, oder so?«
Sie lachte und weinte
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