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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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verschiedenen Körperteile. Das für die Mitte durfte niemals für das Gesicht benutzt werden. Unbewusste Angst vor der Sünde, Trennung des Heiligen vom Profanen. Nein, die Geschichte mit den Handtüchern werde ich in meinem Roman nicht erzählen. Ich will nicht, dass man sich über sie lustig macht. Ich vergaß zu erwähnen, dass sie nie einen Roman gelesen hatte. Immer aus dem gleichen Grund, aus Abneigung gegen die Lüge.
    Jetzt nur noch im Telegrammstil: Nach dem Tod von Jacques und Éliane nur noch Tantlérie und ich in der Villa, denn Onkel Gri als Missionsarzt nach Afrika gegangen. Meine Glaubenskrise. Ich glaubte nicht mehr oder glaubte vielmehr, nicht mehr zu glauben. In unseren Kreisen nannte man das ›Verdorren der Seele‹. Mein Entschluss, Literatur zu studieren. An der Universität lernte ich Warwara Iwanowna kennen, eine junge, vornehme und intelligente russische Emigrantin. Wir wurden bald Freundinnen. Ich fand sie sehr schön. Ich liebte es, ihre Hände, ihre rosigen Handflächen, ihre schweren Zöpfe zu küssen. Ich dachte ständig an sie. Im Grunde war es Liebe.
    Tantlérie schätzte diese Freundschaft nicht. ›Eine Russin, tss, ich bitte dich!‹ (Das ›bitte‹ sehr gedehnt, wie entweichender Dampf.) Sie erlaubte mir nicht, ihr Warwara vorzustellen, aber sie verbot mir auch nicht, sie zu sehen, was schon viel war. Doch eines Tages holte die Polizei bei uns Erkundigungen über eine gewisse Sianowa ein, die nur eine provisorische Aufenthaltserlaubnis hatte. Ich war nicht zu Hause. Tantlérie erfuhr zwei schreckliche Dinge durch den Polizisten. Erstens, dass meine Freundin einer Gruppe von Menschewiki, russischen Revolutionären, angehört hatte. Zweitens, dass sie vormals die Mätresse des aus der Schweiz ausgewiesenen Führers dieser Gruppe gewesen war. Als ich am späten Nachmittag heimkam, befahl sie mir, sofort alle Beziehungen zu dieser anrüchigen, von der Polizei überwachten und obendrein noch revolutionären Person abzubrechen. Ich war empört. Meine Warinka verlassen? Niemals! Schließlich war ich volljährig. Am gleichen Abend packte ich mit Hilfe Mariettes, des alten Dienstmädchens, meine Koffer. Tantlérie schloss sich in ihrem Zimmer ein, weigerte sich, mich zu sehen, und ich verließ ihr Haus. Kann ich aus all dem einen Roman machen? Sehen wir weiter.
    Ich richtete mich mit meiner Freundin in der Stadt in einer ziemlich schäbigen möblierten Wohnung ein. Ich besaß sehr wenig Geld, denn Papa hatte fast sein ganzes Vermögen bei einer jener finanziellen Komplikationen verloren, die man Börsenkrach nennt. Wir beide waren glücklich. Wir gingen zusammen auf die Universität, ich studierte Literatur, sie Sozialwissenschaften. Studentenleben. Die kleinen Bistros. Ich begann mich ein wenig zu pudern, was ich bei Tantlérie nie getan hatte. Doch Lippenstift habe ich nie benutzt und werde es auch nie tun. Ich finde das schmutzig und vulgär. Ich begann Russisch zu lernen, um es mit ihr sprechen zu können und ihr dadurch näher zu sein. Wir schliefen im selben Bett. Ja, es war Liebe, aber reine Liebe, na ja, fast rein. Eines Sonntags hörte ich von Mariette, die mich oft besuchen kam, dass meine Tante nach Schottland ziehen würde. Das schnürte mir das Herz zu, denn ich fühlte wohl, dass sie sich letztlich wegen meines Lebenswandels ins Exil begab.
    Einige Monate später, es war während der Osterferien, gestand mir Warwara, dass sie an Tuberkulose erkrankt sei und nicht mehr auf die Universität gehen könne. Sie hatte mir ihren Zustand verheimlicht, um mich nicht zu beunruhigen, aber auch, um unsere finanzielle Lage durch Aufenthalte in den Bergen nicht zu erschweren. Ihr Arzt, den ich sofort aufsuchte, sagte mir übrigens, es sei bereits zu spät, um sie in ein Sanatorium zu schicken, sie hätte höchstens noch ein Jahr zu leben.
    Während dieses letzten Jahres ihres Lebens habe ich mich nicht sehr anständig verhalten. Gewiss, ich hatte mein Studium aufgegeben, um mich ihr ganz zu widmen. Ich pflegte sie, kochte das Essen, besorgte die Wäsche und das Bügeln. Aber abends hatte ich manchmal Lust auszugehen, eine Einladung von Universitätskameraden anzunehmen, keine Mädchen und Burschen aus meinem Milieu, sondern für gewöhnlich Ausländer. So ging ich manchmal zu einem Abendessen, auf einen Studentenball oder ins Theater. Ich wusste, dass sie schwerkrank war, und doch konnte ich der Versuchung, mich zu amüsieren, nicht widerstehen. Warinka, liebste Warinka, verzeih mir, ich

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