Die Schoene im Schnee
ausharren, während ich mich um unseren Gast kümmere. Danach bringe ich dich in den warmen Stall. Heute hast du dir eine Extraportion Hafer verdient.“
Das Pferd antwortete mit einem Wiehern, und Brant eilte die Stufen hinauf ins Haus. Schnell trug er die Frau ins Wohnzimmer. Wie versprochen, brannte im Kamin bereits das Feuer, das er vor seinem Ausritt entzündet hatte.
Sie rührte sich nicht, als er sie auf das Sofa legte.
Während er sich über sie beugte, um ihren Parka zu öffnen und sich ihre Verletzungen anzusehen, schlüpfte der Hund unter seinem Mantel hervor, landete neben seinem bewusstlosen Frauchen und begann, die Schnittwunde über ihrem Auge zu lecken. Etwas Blut sickerte daraus hervor.
Eine raue Hundezunge genügte offenbar, um die Frau zumindest ansatzweise wiederzubeleben. „Simone?“, murmelte sie und schlang die Arme um den Hund, der es sich zufrieden bequem machte.
Der heftige Schneesturm hatte sie völlig durchweicht. Brant wusste, dass sie sich erst dann aufwärmen konnte, wenn er sie von den nassen Sachen befreite. Danach musste er sie nach möglichen Knochenbrüchen untersuchen.
„Ich hole Ihnen erst einmal etwas Trockenes zum Anziehen. Bin gleich zurück.“
Erneut schlug sie die Augen auf und nickte. Und wieder überkam Brant das seltsame Gefühl, sie zu kennen.
Aus der näheren Umgebung kam sie allerdings nicht, dessen war sich fast sicher. Andererseits hatte er in den vergangenen fünfzehn Jahren nie mehr als ein paar Wochen am Stück in Pine Gulch verbracht.
Während seiner Aufenthalte schlief er in einem der beiden Schlafzimmer im Erdgeschoss. Hastig zog er einen Pulli aus seinem Seesack. Dazu eine kurze Jogginghose. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer.
„Ich ziehe Ihnen jetzt den Parka aus, damit ich Sie mir genauer ansehen und feststellen kann, ob Sie sich etwas gebrochen haben.“
Sie gab keine Antwort, und er fragte sich, ob sie eingeschlafen oder erneut in Ohnmacht gefallen war.
Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, den Rettungsdienst von Pine Gulch anzurufen. Eigentlich wollte er das in einer so stürmischen Nacht wie dieser vermeiden, wenn es nicht absolut notwendig war.
Außerdem hatte er eine Grundausbildung in Erster Hilfe. Wenn das nicht reichte, konnte er immer noch mit ihr in die Stadt fahren.
Doch zuerst musste er sich ihre Verletzungen ansehen.
Normalerweise hätte er lieber einen Selbstmordattentäter mit bloßen Zähnen entwaffnet, als eine halb bewusstlose Frau auszuziehen. Momentan hatte er jedoch keine Wahl. Er tat nur das, was getan werden musste.
Trotzdem kam er sich komisch vor, als er ihr zunächst die ziemlich nutzlos erscheinenden rosa Stiefel von den Füßen zog. Dann nahm er den Hund und setzte ihn auf dem Boden ab. Dieser nahm sofort seine Pflichten als Wachhund auf und begann, im Zimmer herumzuschnüffeln.
Brant öffnete derweil den Reißverschluss ihres Parkas. Während sie ihre Arme aus den Ärmeln befreite, gab er sich die größte Mühe, ihre sanften Rundungen zu ignorieren.
Kein ganz leichtes Unterfangen. Zuletzt war er vor seinem letzten Einsatz mit einer Frau zusammen gewesen.
Er rief sich ins Gedächtnis, dass er hier nur als Rettungssanitäter tätig war. Ganz unbeteiligt und unpersönlich.
Erleichtert stellte er fest, dass ihr Hemd unter dem Parka fast trocken geblieben war. Ihre Jeans waren allerdings völlig durchweicht und mussten so schnell wie möglich ausgezogen werden. „Ma’am, Sie müssen die Jeans ausziehen. Brauchen Sie meine Hilfe, oder schaffen Sie das allein?“
„Hilfe“, murmelte sie.
Natürlich. Seufzend öffnete er den Druckknopf und den Reißverschluss ihrer Jeans. Seine Hände strichen dabei unterhalb des blauen Bündchens über ihre Hüfte.
Er wusste nicht, ob seine Finger so kalt waren oder sie die Berührung erschreckt hatte. Jedenfalls blinzelte sie einige Male und zuckte mit einem leisen Aufschrei zusammen.
Der kleine Hund unterbrach seine Untersuchung des Zimmers und eilte kläffend herbei, um sich schützend vor seinem Frauchen aufzubauen. Dabei fletschte er die Zähne, als könne er Brant von seinem Vorhaben abhalten.
„Sie müssen sich etwas Trockenes anziehen.“ Er sprach dabei im selben ruhigen Tonfall, den er auch bei verwundeten Soldaten auf dem Schlachtfeld anwandte. „Ich tue Ihnen nicht weh, versprochen! Sie sind hier vollkommen sicher.“
Sie nickte, ohne ganz die Augen zu öffnen.
Als er sie jetzt bei Licht betrachtete, zuckte eine kurze Erinnerung durch seinen
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