Die Schoene im Schnee
ihn eine abgeschlossene Tür nicht aufhalten würde. Vermutlich konnte sich dieser Mann überallhin Zutritt verschaffen – sei es zu einem verschlossenen Zimmer oder zum Herzen einer Frau.
„Haben Sie schon gegessen?“
„Ich habe keinen Hunger.“
Das war die Wahrheit. Allein die Vorstellung von Essen ließ ihren Magen rotieren. Ironischerweise war sie seit über zehn Wochen schwanger, ohne auch nur ein einziges Symptom wahrgenommen zu haben. Nicht der geringste Hinweis, der ihr einen Tipp gegeben hätte.
Und nur einen Tag, nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, setzte die morgendliche Übelkeit ein, gepaart mit einer tiefgehenden Erschöpfung.
Sie hatte das Gefühl, eine Woche am Stück schlafen zu können, wenn man ihr die Gelegenheit dazu gab.
„Ich kann Ihnen doch nicht zur Last fallen.“
Er zuckte mit den Achseln. „Ich bin für Sie zweimal durch einen gefrorenen Fluss gewatet. Jede weitere Unannehmlichkeit fällt da kaum ins Gewicht. Ich hole nur eben ein sauberes Laken, und dann kümmern wir uns um Ihre Schnittwunde. Danach sind Sie bettfertig.“
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Hatte Sie eine andere Wahl? Wohin sollte sie sonst gehen?
Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, schmiegte sie sich ins Sofa, drückte Simone fester an sich und genoss die wohltuende Wärme des Feuers.
Wenn sie darüber nachdachte, war das vielleicht sogar die perfekte Lösung für sie. Zumindest, wenn sie an ihre entsetzliche Zukunft dachte.
Niemand wusste, wo sie war. Nicht ihr Vater, dem das ohnehin egal war. Und auch nicht Marco, den das noch weniger kümmerte. Erst recht nicht die Paparazzi, die sich nur um Einschaltquoten und Auflagen scherten.
Die Welt jenseits dieser Mauern war ein furchterregender Ort. Für den Moment hatte sie Zuflucht vor dem Sturm da draußen gefunden. Und einen Mann, der überaus fähig erschien, sie vor allem zu beschützen.
Sie brauchte nur etwas Abstand, um alles in Ordnung zu bringen – und dafür war dieser Ort genauso geeignet wie jeder andere.
Ihr kam nur ein mögliches Problem in den Sinn: Wenn der Schneesturm vorbei war, musste sie alles tun, um Brant davon abzuhalten, einen Abschleppwagen zu holen. Aus Erfahrung wusste sie, dass Lastwagenfahrer, Tankwarte und Restaurantbedienungen die Ersten waren, die nach dem Hörer griffen und die Presse verständigten.
Sie sah die Schlagzeilen schon vor sich: Mimis „Ausrutscher“ mit attraktivem Rancher.
Das konnte sie jetzt wirklich nicht gebrauchen. Sie benötigte nur ein paar Tage Ruhe und Erholung.
So wie der Blizzard vor dem Haus, würden auch der Mediensturm und der drohende Skandal hoffentlich bald an ihr vorbeiziehen.
Sie musste nur noch einen Weg finden, die Zeit bis dahin sicher und geborgen zu überstehen.
2. KAPITEL
Als Brant ins Wohnzimmer zurückkehrte, blickte Maura Howard – alias Boulevardprinzessin Mimi Van Hoyt – gerade ins Feuer. Ihr Gesicht war blass und angespannt.
Bei einem Irak-Einsatz in Tikrit war einer ihrer entsetzlichen Versuche, im Filmbusiness Fuß zu fassen, im Gemeinschaftsraum gezeigt worden.
Die innere Unruhe, die sie nun zur Schau stellte, konnte demnach nur echt sein. Ihre Schauspielkünste hatten denen des Brüllaffen entsprochen, mit dem sie sich ein paar Szenen geteilt hatte.
Solange sie nicht wieder anfing zu weinen, konnte er damit umgehen. Peinlich berührt musste er zugeben, dass er mit einem Dutzend bewaffneter Aufständischer besser umgehen konnte als mit einer weinenden Frau.
„Morgen früh sieht alles ganz anders aus“, versprach er ihr. „Sobald der Sturm vorbeigezogen ist, kann ich einen Abschleppwagen holen. Ich bin sicher, dass sie ihren Wagen in der Stadt wieder flottkriegen. Danach können Sie weiterfahren.“
Sie verknotete die Hände im Schoß und wandte sich von Brant ab. Auf den Fotos, die er von ihr gesehen hatte, war immer ein etwas harter, zynischer Ausdruck in ihrem Blick gewesen. Doch davon war nun nichts mehr zu sehen.
„Ich kann mir im Moment keinen Abschleppwagen leisten.“
Hätte sie diese Worte nicht mit solch einer Aufrichtigkeit vorgetragen, hätte er angesichts dieser offensichtlichen Lüge auf der Stelle losgeprustet.
Jeder auf diesem Planeten, der schon einmal ein Boulevardblatt in der Hand gehabt hatte, wusste, dass ihr Vater Werner Van Hoyt war – Immobilienmogul, Hollywoodproduzent und Multimilliardär. In erster Linie war sie Tochter von Beruf, und ihr ganzes Leben drehte sich nur darum, auf die
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