Die schöne Mätresse
ich.“
Madame hob eine dunkle Braue und betrachtete ihn prüfend. Evan blickte tief in ihre violettblauen Augen. Besaßen sie die Farbe von Veilchen oder eher von Lilien?
Dann verzogen sich die verführerischen Lippen zu einem schwachen Lächeln. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass er sich wie ein törichter Idiot benahm. Doch bevor er noch etwas sagen konnte, reichte ihm Madame Emilie die Hutschachtel. „Bitte übermitteln Sie Lady Cheverly meinen ergebensten Dank. Guten Tag, Mylord.“
Sie knickste und geleitete ihn ohne Umschweife zur Tür. Die Berührung ihrer Hand schien ihn selbst durch den Stoff seiner Kleidung zu versengen.
Als er endlich seine Fassung wiedergefunden hatte, stand er bereits neben Brent auf der Straße vor dem Geschäft. Ein großes Eisenschild in Form eines Hutes mit den aufgemalten Worten „Madame Emilie“ hing über ihren Köpfen.
„Du warst hingerissen von ihr, nicht wahr?“ Blakesly musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann lachte er leise. „Wenn ich mich recht erinnere, warst du seit Jahren nicht mehr derart beeindruckt von einer Frau. Nicht seit dieser Balletttänzerin, als wir damals gerade aus Oxford zurückkehrten.“
Evan schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was sich soeben ereignet hatte. Sein ganzer Körper prickelte. „Die Tänzerin konnte nicht mit dieser Frau mithalten“, sagte er.
„Nein, in der Tat nicht.“ Brent seufzte. „Nun komm. Ich empfehle ein gewisses flüssiges Stärkungsmittel, damit du dich wieder erholst.“
Obwohl seine Füße ihn in die Richtung von St. James trugen, drehte sich Evan noch einmal zu dem Hutladen um. „Was weiß Willoughby über sie? Heraus mit der Sprache!“
„Aye, Euer Lordschaft!“ Brent salutierte spöttisch. „Ich habe allerdings nur wenig zu berichten. Wie man hört, wurde sie erst kürzlich Witwe. Immerhin trägt sie noch Halbtrauer.“
„Halbtrauer?“
„Du hast es nicht bemerkt?“ Brent lachte. „Nun, wahrscheinlich warst du zu beschäftigt damit, sie dir unbekleidet vorzustellen. Trotzdem sollte ich dich warnen, falls du eine Verführung im Sinn hast. Nach Willoughbys Schilderung zu urteilen, steht dir eine Enttäuschung bevor. Wie es scheint, hat St. Clair sie zuerst entdeckt. Angeblich sucht er ihr Geschäft auf, sooft ihm ein passender Vorwand einfällt.“
„St. Clair?“ Evan schnitt eine Grimasse.
„Ja. So, wie ich St. Clair kenne, waren seine Annäherungsversuche sicher nicht zurückhaltend. Offenbar hat sie dennoch jede seiner Einladungen zum Tee, Abendessen oder ins Theater abgelehnt. Willoughby sagt, dass sie keinem Mann etwas anderes gewährt als höfliche Worte. Sie scheint hoffnungslos tugendhaft zu sein.“
Evan warf ihm einen scharfen Blick zu. „Du hast wohl sehr aufmerksam zugehört. Es sieht dir gar nicht ähnlich, so viel Interesse an einer Frau zu bekunden.“
Brent erwiderte den Blick ungerührt. „Und wie steht es mit dir? Du willst doch nicht schon wieder eine neue Affäre beginnen, nachdem du dich gerade erst von La Tempestina getrennt hast? Außerdem dachte ich, du hättest Richard versprochen, Andrea mit in die Stadt zu nehmen, als er sich wieder Wellingtons Truppen anschloss. Habt ihr beide nicht eine Art … Abkommen getroffen?“
„Nicht wirklich. Du weißt, wie zurückhaltend sie seit ihrem Unfall geworden ist. Ich habe ihr lediglich versichert, falls sie am Ende der Saison keinen Verehrer gefunden hat, könnte sie immer noch mich heiraten. Aber das ist mehr als unwahrscheinlich“, fügte er mit einer gelassenen Handbewegung hinzu. „Bist du nun an Madame interessiert oder nicht?“
„Ich hätte ohnehin keine Chance“, entgegnete Brent mit einem bedauernden Lächeln. „Wenn sie schon St. Clair und seinesgleichen abweist, wird sie ihre Gunst wohl kaum einem titellosen jüngeren Sohn mit bescheidenem Vermögen schenken. Dir dagegen könnte es gelingen, dieses unerschütterliche Bollwerk einzunehmen. Du bist reich, gut aussehend, der beliebteste Junggeselle der Gesellschaft …“
„Nun hör schon auf“, unterbrach ihn Evan. „Ich muss mir eine Ausrede einfallen lassen, um den Laden wieder aufzusuchen …“ Er blieb abrupt stehen.
„Was ist?“
„Ich sollte ihr eigentlich ausrichten, dass Mama einen neuen Hut bei ihr in Auftrag geben will. Aber ich war so beschäftigt damit, einen Narren aus mir zu machen, dass ich es ganz vergessen habe. Ich habe nicht einmal die Rechnung bezahlt.“ Er schmunzelte. „Nun, mir wird nichts anderes übrig
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