Die schöne Mätresse
nicht über einem Hutmachergeschäft wohnen. Zumindest konnte sie ihren Sohn jeden Sonntag im Haus seines Lehrers Pater Edmund besuchen, obwohl ihr diese Tatsache nur wenig Trost verschaffte.
Entschlossen konzentrierte sie sich wieder auf ihre Aufgabe. Sie musste genug Geld verdienen und verhindern, dass ihr auch noch diese wenigen kostbaren Stunden mit Drew genommen wurden.
Das Klingeln der Türglocke riss sie aus ihren trüben Gedanken. Obwohl sie den Riegel nicht vorgeschoben hatte, war es bereits zu spät für die üblichen Geschäftszeiten, und sie fragte sich, welche ungeduldige Kundin ihr jetzt noch einen Besuch abstattete. Hoffentlich jemand, der seine Rechnung bezahlen will, dachte sie. Gleichzeitig setzte sie ein freundliches Lächeln auf, um die Kundin willkommen zu heißen.
Bevor sie ihr Arbeitszimmer verlassen konnte, trat ihr Besucher ein. Ihr Lächeln schwand.
„Mr. Harding“, grüßte sie kühl. „Hat Ihr Arbeitgeber irgendein Anliegen? Die nächste Miete ist erst in zwei Wochen fällig.“
„Guten Tag, Ma’am.“ Josh Harding war ein kleiner, gedrungener Mann, dessen breite Brust und Schultern ihn jedoch bedrohlich wirken ließen. Als sie ihm aus dem Weg gehen wollte, verfolgte er sie, bis er sie in die Enge gedrängt hatte. Sie lehnte sich hilflos an ihren Schreibtisch.
Er ließ seinen lüsternen Blick über ihren Körper wandern, und sie hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige versetzt. „Nein, die Miete ist noch nicht fällig. Als Geschäftsfrau“, er sprach das Wort wie eine Beleidigung aus, „haben Sie aber sicher schon erkannt, dass auch andere Ausgaben notwendig sind. Sie wollen doch sicher, dass Ihre Kunden vor dem Abschaum auf der Straße beschützt werden, der sie ausrauben könnte.“
Emily dachte an den Beutel mit Bargeld, der hinter ihr auf dem Tisch stand. „Tatsächlich? Mir wurde versichert, das hier sei eine vornehme Gegend, worauf übrigens auch die hohe Miete schließen lässt. Ihr Arbeitgeber hat es mir selbst versichert.“
Mr. Harding grinste und zeigte dabei gelbe, unregelmäßige Zähne. „Sogar in der feinsten Nachbarschaft braucht man Schutz. Mein Boss wird dafür sorgen, dass Sie ihn auch bekommen – natürlich für ein kleines Entgelt. Er glaubt, weitere zehn Pfund pro Monat sollten genügen.“
„Zehn Pfund!“ rief Emily empört. „Das ist unverschämt! Bevor ich einen solchen Wucherpreis zahle – falls ich überhaupt Schutz benötigen sollte –, werde ich mich lieber mit der Pistole meines verstorbenen Mannes selbst verteidigen! Danken Sie Ihrem Arbeitgeber für sein freundliches Angebot, aber ich kann es mir leider nicht leisten.“
„Vielleicht können Sie es sich nicht leisten, das Angebot abzulehnen.“ Harding trat einen Schritt näher auf sie zu und strich scheinbar gelangweilt über einen noch nicht fertig gestellten Satinhut, der auf dem Tisch lag. Emily wünschte, er würde seine schmutzigen Finger davon lassen.
„Manchmal widerfahren schutzlosen Leuten … gewisse Dinge“, sagte er. „Haben Sie von dem Schneidergeschäft drüben im Fiddler’s Way gehört? Letzte Woche ist es bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die arme Besitzerin hat alles verloren. Sie fand auch, der Preis für ihren Schutz sei zu hoch. Nun, ich glaube, es wäre immer noch billiger gewesen, als wieder ganz von neuem anfangen zu müssen.“
Emily straffte die Schultern. „Was Sie andeuten, nennt man Erpressung.“
Er zuckte die Schultern. „Ich war nie ein Mann der großen Worte.“ Dann starrte er geradewegs in ihre Augen. „Denken Sie lieber an dieses andere Geschäft, kleine Lady.“
Emily presste die Lippen aufeinander. Im Augenblick konnte sie kaum ihre Kosten decken. Weitere zehn Pfund im Monat konnte sie unmöglich aufbringen. Außerdem würde sie mit einem solchen Handel gegen das Gesetz verstoßen. Wie konnte es dieser Rüpel wagen, sie einschüchtern zu wollen?
Energisch wandte sie sich Mr. Harding zu, der mit einem spöttischen Lächeln auf seinen fleischigen Lippen am Tisch lehnte. Sie spürte, wie ihr vor Zorn das Blut in die Wangen schoss.
„Sagen Sie Ihrem … Arbeitgeber, dass ich seinen Schutz nicht wünsche. Sie sollten ihn auch darauf hinweisen, dass solche Drohungen illegal sind. Sollte er weiterhin darauf bestehen, muss ich die Behörden informieren.“
Zu ihrer Empörung wurde Hardings Grinsen nur noch breiter. „Oh, das würde ich Ihnen nicht raten, Ma’am. Mr. Harrington kennt eine Menge wichtiger Leute. Wie hätte er sonst so
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