Die schöne Spionin
einzulassen.
Es sei denn, es war unbedingt erforderlich.
Agathas Panik wuchs, während sie ungeduldig im Salon wartete. Wer hätte gedacht, dass es so kompliziert wäre, verheiratet zu sein?
Sie rückte zum fünften Mal das Teetablett zurecht und beäugte die Uhr auf dem Kaminsims. Die Damen würden in einer halben Stunde eintreffen, und vorher musste noch der Kaminkehrer nach unten kommen, damit sie ihm erklären konnte, welche Rolle er bei dieser Farce zu spielen hatte.
Agatha kaute auf der Unterlippe und dachte daran, dass all das der Mühe wert war, wenn es nur half, Jamie zu finden.
James Cunnington war Soldat, dass er gegen Napoleon kämpfte, war das Letzte, was Agatha von ihm gehört hatte. Er hatte jede Woche geschrieben, vier Jahre lang, bis vor zwei Monaten.
Keine Nachricht, auf welchem Wege auch immer. Nach all der Zeit und trotz aller Anfragen beim Militär hatte sie noch keine Antwort erhalten. Von dem Drang getrieben, Jamie zu finden – einem Drang, der stündlich verzweifelter wurde -hatte Agatha einen Schrankkoffer gepackt, eine Fahrkarte für die nächste Kutsche gekauft und ihr Anwesen in Appleby Richtung London verlassen. Die Dienstboten hatten ihr bei der Flucht geholfen, und Agatha wusste, dass sie ihren Aufenthaltsort so lange wie möglich geheim halten würden.
Reggie, der Rüpel, durfte sie nicht finden, bevor sie ihren Bruder gefunden hatte. Sonst würde er sie mit der ganzen Wucht seiner verqueren Ambitionen zurück nach Appleby und vor den Altar zwingen.
Mortimer zu »heiraten«, hatte ihr schlicht die Reise erleichtert. Niemand stellte die Tugendhaftigkeit einer allein reisenden, verheirateten Frau in Frage, nicht in Kriegszeiten, wenn so viele Ehemänner fort waren.
Als ihr die Idee gekommen war, sich im Chelsea Hospital nach Jamie umzuhören, war es der Status der verheirateten Frau gewesen, der ihr Zugang verschafft hatte und die Möglichkeit, sich ehrenamtlich um die Verwundeten zu kümmern.
Trotzdem waren es zwei verschiedene Paar Schuhe, unter falschem Namen zu reisen und der Welt tatsächlich einen falschen Ehemann zu präsentieren.
»Hallo. Liebes. Da bin ich.«
In die Gegenwart zurückgeholt, sah Agatha auf… und einen der best aussehendsten Männer, den sie je gesehen hatte.
Jamies Hosen spannten sich dem Burschen ein wenig zu stramm um die Hüften, nicht im Hinblick auf die derzeitige Mode, wohl aber, was Agathas Seelenfrieden anging.
Sie löste den Blick vom gefährlichen Terrain und folgte dem Rest der Verwandlung nach oben.
Jamies schneeweißes Hemd und die dunkelgrüne Weste boten keinen Anlass zur Sorge, aber das Jackett, oh, du meine Güte. An den Schultern saß der Schnitt gut, und die schmale Taille passte perfekt, aber das Kobaltbau betonte die blitzenden blauen Augen viel zu sehr.
Die Halsbinde saß in einer Weise locker, die eher zu einem Piraten als zu einem Gentleman passte, und ließ ein wenig zu viel von seinem kräftigen braun gebrannten Hals sehen.
Eine wahrlich tödliche Kombination. Seltsam, wie sie ihm in Gedanken jedes einzelne von Jamies Kleidungsstücken auszog, bis sie ihn so splitternackt wie zuvor vor Augen hatte.
»Wie? Passen die Sachen nich?« Der Kaminkehrer zog die Schultern vor und wand sich in der Taille, um sich von hinten zu betrachten. »Ich dachte, es tät gut aussehen, dachte ich wirklich.«
»Oh, nein, Sie sehen wun-… passend aus, absolut passend.« Agatha zwang ihre lasterhaften Gedanken dazu, ihn wieder anzuziehen. »Bitte kommen Sie herein, und nehmen Sie Platz. Ich muss Sie um einen Gefallen bitten.«
Der Bursche lächelte schwach, und Agatha musste die Fäuste in die Hüften stemmen, um nicht die Grübchen neben seinen Mundwinkeln zu berühren.
Er zog sie an. Wie unerhört ungehörig von ihr. Ganz zu schweigen von den Unannehmlichkeiten, die das mit sich bringen konnte. Nahmen die Hindernisse denn kein Ende?
Agatha warf dem Kerl einen verärgerten Blick zu und sah sein schönes Lächeln schwinden. Gut. Wenn sie ihren Missmut eine Weile lang aufrecht erhielt, würde der Tag sich einfacher gestalten. Ja, in der Tat. Jetzt war ein brüskes, sachliches Vorgehen gefragt.
Agatha wies auf den Stuhl gegenüber. »Bitte, setzen Sie sich, Mr…?«
»Rain, Simon Rain.« Er setzte sich und sah sie erwartungsvoll an.
Die Uhr schlug dreiviertel, und Agatha wusste, dass ihr nicht viel Zeit für Erklärungen blieb.
»Ich benötige einen Gentleman, der mir heute zur Seite steht. Sie müssen absolut nichts tun, nur lächeln
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