Die schoene Tote im alten Schlachthof
ich hoffe, ihr nehmt die Katze mit. Wir wollen sie jedenfalls nicht länger
als eben nötig hier behalten. Wir entwickeln hier gerade eine Allergie gegen
Katzenhaare.«
Die Kollegen hatten Helena Claus in einem leer stehenden Büro untergebracht.
Dort saß sie wie ein Häufchen Elend auf einem Stuhl. Man hatte ihr, nachdem sie
bei der Festnahme Manderscheid das Gesicht blutig gekratzt und seinem Kollegen
Hans-Martin Schleimer heftig in die Weichteile getreten hatte, Handschellen
angelegt. Ferschweiler wusste nicht recht, ob er sich in dieser Situation genauso
freuen konnte wie die Kollegen von der Autobahnpolizei. Leid tat ihm Helena
Claus zwar nicht, aber er konnte bei ihrem Anblick auch keine Genugtuung
empfinden.
Leise hatte er den Raum betreten. Helena Claus hob den Kopf und
blickte ihm direkt in die Augen. Ferschweiler musste kurz daran denken, dass
eben diese Augen ihm den Blick für das Wesentliche vernebelt hatten. Anders
konnte er sich seine Fehler im Umgang mit der schönen dunkelhaarigen Frau nicht
erklären. Doch schnell fasste er sich wieder.
»Eigentlich habe ich nur eine Frage, Frau Claus. Warum?«
Ferschweiler lehnte sich mit dem Rücken an die Scheibe zum
Dienstraum der Autobahnpolizisten. Mit der rechten Hand fuhr er sich
unwillkürlich über den Verband an seiner linken Schulter.
Helena Claus hielt seinem Blick eine gewisse Zeit lang stand und
schwieg. Dann sagte sie auf einmal mit belegter Stimme: »Es war einfach nur
Liebe. Ich habe beide, Laszlo und Melanie, wirklich geliebt. Aber beide haben
mich nur ausgenutzt. Nach Strich und Faden verarscht. Als Melanie dann auch
noch schwanger wurde, habe ich rot gesehen. Ich wusste, Laszlo würde mich
fallen lassen, nachdem er Melanie ein Kind gemacht hatte, und das hätte ich
nicht ertragen.«
»Und da haben Sie sich dazu entschlossen, Melanie Rosskämper zu
töten.«
»Nein, nicht sofort. Erst habe ich versucht, mit ihr zu reden. Aber
sie hat mich nur ausgelacht. Hat mich als blöd bezeichnet und sich darüber
lustig gemacht, wie ich nur glauben könnte, dass Laszlo mich, gerade mich, mit
nach Luxemburg an seine neue Akademie nehmen wolle. Und die ganze Zeit hat sie
sich über ihren Bauch gestreichelt, nur um überdeutlich zu betonen, dass sie
von Laszlo schwanger war.«
»Aber Sie haben dennoch mit ihr geschlafen.«
Helena Claus blickte Ferschweiler immer noch unverwandt, nun aber
voller Verzweiflung an. »Geschlafen habe ich mit ihr. Das stimmt. Aber ich habe
auch das nur für Laszlo getan. Ich wusste nicht, dass er uns dabei fotografiert
hat.« Helena Claus fing ungehemmt zu weinen an. »Das hätte ich nie von ihm
gedacht. Ich habe ihm vertraut, die ganze Zeit über, bei allem, was er gemacht
hat und was er von mir wollte. Aber es war letztendlich alles nur eine einzige
Lüge. Die größte meines Lebens.«
»Und warum haben Sie dann Melanie so heimtückisch ermordet? Warum
nicht Kafka?«
»Ach, Laszlo war doch selbst nur Opfer. Melanie war da ganz anders.
Sie hat immer alles bekommen, was sie wollte. Sie hat Laszlo den Kopf verdreht
und es ausgenutzt, dass er so eine empfindliche Künstlerseele hatte und sich
nicht wehren konnte.«
Ferschweiler war überrascht, was für ein Bild Helena Claus von Kafka
immer noch hatte. Still zollte er ihm seinen Respekt für so viel Suggestionskraft.
Für das Manipulieren von Menschen hatte er wohl wirklich ein Talent besessen.
»Und dann haben Sie sie getötet? Warum auf diese Art?«
»Weil ich nicht entdeckt werden wollte, warum denn sonst? Sonst hätte
ich sie auch überfahren oder mit einem Mühlstein um den Hals in die Mosel
werfen können. Nein … brutal hätte ich zu ihr nie sein können. Ich wollte
ihr nicht wehtun. Es sollte schnell gehen.«
Es trat eine Pause ein, in der Helena Claus vor Weinen nicht sprechen
konnte. Ferschweiler hätte ihr gern ein Taschentuch gereicht. Aber er vermutete
seine Kollegen, die auf Helena Claus im Moment wirklich nicht gut zu sprechen
waren, hinter der Glasscheibe, und blieb daher hart.
Mit vor der Brust verschränkten Armen sagte er kühl: »Sie wussten
von ihren Allergien?«
Helena Claus nickte. »Sie hatte mir davon von sich aus erzählt. Ich
wollte es eigentlich gar nicht hören. Alle Teilnehmer hängen mir immer mit ihren
Problemen in den Ohren: Schmerzen hier, Eheprobleme dort. Aber ich bin nun mal
kein Seelsorger, Herr Ferschweiler. Bei Melanie allerdings, da wusste ich ab
einem bestimmten Zeitpunkt, dass es sich lohnt zuzuhören. Und der Rest war
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