Die Schöne und das Biest
Philippe.“
„Ein Nachfahr der Comtesse?“, platzte es aus ihr heraus.
„Nein“, er lächelte amüsiert. „Ich verwalte das Schloss während der Abwesenheit des Herrn.“
Belle ließ die Schultern hängen. Allem Anschein nach hatte ihr das Untier dieses Bild von einem Mann als Aufpasser auf den Hals gehetzt.
„Er hat mir aufgetragen, Euch zu bewachen“, bestätigte er auch schon ihren Verdacht.
„Bewachen!“ Sie spuckte das Wort aus. „Also bin ich seine Gefangene?“
Philippe legte den Kopf schief. Seine blauen Augen funkelten geheimnisvoll. „So dürft Ihr das nicht sehen“, beruhigte er sie mit seiner sanften, wohlklingenden Stimme. Einem Mann wie ihm könnte sie vermutlich den ganzen Tag zuhören. Belle musste sich beherrschen, um nicht zu seufzen. Außerdem machte seine Anwesenheit sie allmählich stumm. Mehr und mehr zog er sie in seinen Bann, so dass sie nicht mehr klar denken konnte und erst recht nicht in der Lage war, eine vernünftige Antwort zu geben.
„Seht Euch einfach als seine Gesellschafterin. Denn das ist es, was ihm fehlt — Gesellschaft.“
Belle zeigte eine höfliche Miene. Womöglich wirkte es auf Philippe sogar verständnisvoll. Doch Belle verspürte alles andere als das. Tag für Tag sollte sie an der Seite eines grässlichen Wesens verbringen.
„Was ist mit Euch?“, wagte sie schließlich zu fragen. „Warum leistet Ihr Eurem Herrn keine Gesellschaft?“
Philippe verschränkte die Arme vor der Brust. Ein unergründlicher Schmerz lag in seinem Gesichtsausdruck. Die Haut spannte sich über seinen markanten Wangenknochen, und ein leises Zähneknirschen drang aus seinem Mund.
„Es ist mir nicht möglich“, gab er endlich zur Antwort. „Aber ich werde heute den ganzen Tag über hier sein. Ich zeige Euch gerne das Schloss — vorausgesetzt, Ihr habt gegen meine Gesellschaft nichts einzuwenden.“
Philippe zwinkerte ihr zu. Es erstaunte Belle, wie schnell sein Missmut in eine jungenhafte Fröhlichkeit umschlug. Er schien voller Tatendrang. Hätte Belle ihn gewähren lassen, hätte er sich vermutlich im nächsten Moment bei ihr untergehakt und sie einfach mit sich genommen.
„Gern“, sagte sie nur. Lächelnd vergrößerte sie den Abstand zu ihm um eine Schrittlänge. Sie wollte lieber kein Risiko eingehen, indem sie sich mehr als unbedingt notwendig von ihm einlullen ließ.
Philippe hatte Belle den gesamten Morgen kreuz und quer durch das Schloss geführt. Es gab unglaublich viele Gänge und Treppen, die in alle möglichen kleinen oder großen Räume führten. Der größte von ihnen war jedoch zweifellos die Bibliothek mit ihren Regalen, die bis an die Decke reichten. Belle meinte, dass sämtliche Bücher der Welt eben an dieser Stelle lagerten. Nie hätte sie vermutet, dass ein einzelner Mensch — oder besser gesagt ein Ungeheuer — so viele Bücher besaß. Am liebsten wäre sie geblieben, um den Rest des Tages zu lesen. Aber Philippe meinte, dass ihr für diese Art der Beschäftigung noch genug Zeit bleiben würde.
Enttäuscht folgte sie ihm wieder hinaus, weitere Treppen hinauf und hinunter, in Räume, die bei Weitem nicht so interessant waren wie die Bibliothek. Bis sich bei ihr der Hunger einstellte.
„Philippe“, sagte sie, „gibt es in diesem Schloss vielleicht auch etwas zu essen?“
Da lachte er nur und zeigte ihr als nächstes den Speisesaal, in dem sie an einer viel zu großen Tafel ganz alleine Platz nehmen sollte.
„Aber wer bereitet das Essen zu?“, fragte sie. „Gibt es noch mehr Angestellte?“
Philippe wich einer Antwort aus, indem er nur lächelte und somit nichts über das Schloss zu berichten brauchte. Belle zweifelte daran, ob er ihr mehr als Wasser und trockenes Brot anbieten konnte. Wer sollte die Lebensmittel hierherbringen und sie zubereiten? Etwa Philippe selbst? Oder gar das Ungeheuer? Belle musste bei der Vorstellung daran unwillkürlich schmunzeln.
Umso mehr erstaunte es sie, als Philippe mit einem Rollwagen voller frischer Speisen in den Saal zurückkehrte. Er hielt direkt neben ihr und präsentierte ihr die Köstlichkeiten: Wachteleier, Gemüse, Brot, warme Hähnchenkeulen und vieles mehr. Belle konnte sich gar nicht satt sehen. Sie aß, während Philippe ihr lediglich dabei zusah. Er nahm nicht einen Bissen zu sich. Vielmehr kam es Belle so vor, als würde es ihm vollkommen genügen, sie mit seinen Blicken zu verschlingen. Sie spürte, wie sehr er sich an ihrem Anblick ergötzte, und an der Art, wie sie die Speisen
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