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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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ließ sich durch den Umzug wenig aufregen. Der Holdria kam lächelnd, herzlich und strahlend, schüttelte jedermann die Hand, sprach kein Wort und fragte nach nichts, glänzte vor Wonne und Herzensgüte, sooft jemand ihn anredete oder ansah, und hätte, auchwenn er nicht schon längst eine überall bekannte Figur gewesen wäre, es keine Viertelstunde lang verbergen können, daß er ein ungefährlicher Schwachsinniger war.
    Der zweite, der etwa eine Woche später seinen Einzug hielt, kam nicht minder lebensfroh und wohlwollend daher, war aber keineswegs schwach im Kopfe, sondern ein zwar harmloser, aber durchtriebener Pfiffikus. Er hieß Stefan Finkenbein und stammte aus der in der ganzen Stadt und Gegend von alters her wohlbekannten Landstreicher- und Bettlerdynastie der Finkenbeine, deren komplizierte Familie in vielerlei Zweigen in Gerbersau ansässig und anhängig war. Die Finkenbeine waren alle fast ohne Ausnahme helle und lebhafte Köpfe, dennoch hatte es niemals einer von ihnen zu etwas gebracht, denn von ihrem ganzen Wesen und Dasein war die Vogelfreiheit und der Humor des Nichtshabens ganz unzertrennlich.
    Besagter Stefan war noch keine sechzig alt und erfreute sich einer fehlerlosen Gesundheit. Er war etwas mager und zart von Gliedern, aber zäh und stets wohlauf und rüstig, und auf welche schlaue Weise es ihm gelungen war, sich bei der Gemeinde als Anwärter auf einen Spittelsitz einzuschmuggeln und durchzusetzen, war rätselhaft. Es gab Ältere, Elendere und sogar Ärmere genug in der Stadt. Allein seit der Gründung dieser Anstalt hatte es ihm keine Ruhe gelassen, er fühlte sich zum Sonnenbruder geboren und wollte und mußte einer werden. Und nun war er da, ebenso lächelnd und liebenswürdig wie der treffliche Holdria, aber mit wesentlich leichterem Gepäck, denn außer dem, was er am Leibe trug, brachte er einzig einen zwar nicht in der Farbe, aber doch in der Form wohlerhaltenen steifen Sonntagshut von altväterischer Form mit. Wenn er ihn aufsetzte und ein wenig nach hinten rückte, war Stefan Finkenbein ein klassischer Vertreter des Typus Bruder Straubinger. Er führte sich als einen weltgewandten, spaßhaften Gesellschafter ein und wurde, da der Holdria schon in Hürlins Stube gesteckt worden war, beim Seiler Heller untergebracht. Alles schien ihm gut und lobenswert zu sein, nur die Schweigsamkeit seiner Kameraden gefiel ihm nicht. Eine Stunde vor dem Abendessen, als alle viere draußen beisammen im Freien saßen, fing der Finkenbein plötzlich an: »Hör du, Herr Fabrikant, ist das bei euch denn alleweil so trübselig? Ihr seid ja lauter Trauerwedel.«
    »Ach, laß mich.«
    »Na, wo fehlt’s denn bei dir? Überhaupt, warum hocken wir alle so fad da herum? Man könnte doch wenigstens einen Schnaps trinken, oder nicht?«
    Hürlin horchte einen Augenblick entzückt auf und ließ seine müden Äuglein glänzen, aber dann schüttelte er verzweifelt den Kopf, drehte seine leeren Hosentaschen um und machte ein leidendes Gesicht.
    »Ach so, hast kein Moos?« rief Finkenbein lachend. »Lieber Gott, ich hab immer gedacht, so ein Fabrikant, der hat’s alleweil im Sack herumklimpern. Aber heut ist doch mein Antrittsfest, das darf nicht so trocken vorbeigehen. Kommt nur, ihr Leute, der Finkenbein hat zur Not schon noch ein paar Kapitalien im Ziehamlederle.«
    Da sprangen die beiden Trauerwedel behend auf die Füße. Den Schwachsinnigen ließen sie sitzen, die drei anderen stolperten im Eilmarsch nach dem »Sternen« und saßen bald auf der Wandbank jeder vor einem Glas Korn. Hürlin, der seit Wochen und Monaten keine Wirtsstube mehr von innen gesehen hatte, kam in die freudigste Aufregung. Er atmete in tiefen Zügen den lang entbehrten Dunst des Ortes ein und genoß den Kornschnaps in kleinen, sparsamen, scheuen Schlucken. Wie einer, der aus schweren Träumen erwacht ist, fühlte er sich dem Leben wiedergeschenkt und von der wohlbekannten Umgebung heimatlich angezogen. Er holte die vergessenen kühnen Gesten seiner ehemaligen Kneipenzeit eine um die andere wieder hervor, schlug auf den Tisch, schnippte mit den Fingern, spuckte vor sich hin auf die Diele und scharrte tönend mit der Sohle darüber. Auch seine Redeweise nahm einen plötzlichen Aufschwung, und die volltönenden Kraftausdrücke aus den Jahren seiner Herrlichkeit klangen noch einmal fast mit der alten brutalen Sicherheit von seinen blauen Lippen.
    Während der Fabrikant sich diesermaßen verjüngte, blinzelte Lukas Heller nachdenklich in sein

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