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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Gläschen und hielt die Zeit für gekommen, wo er dem Stolzen seine Beleidigungen und den entehrenden Blechhieb aus jener Nacht heimzahlen könnte. Er hielt sich still und wartete aufmerksam, bis der rechte Augenblick da wäre.
    Inzwischen hatte Hürlin, wie es früher seine Art gewesen war,beim zweiten Glase angefangen ein Ohr auf die Gespräche der Leute am Nebentisch zu haben, mit Kopfnicken, Räuspern und Mienenspiel daran teilzunehmen und schließlich auch zwischenein ein freundschaftliches Jaja oder Soso dareinzugeben. Er fühlte sich ganz in das schöne Ehemals zurückversetzt, und als nun das Gespräch nebenan lebhafter wurde, drehte er sich mehr und mehr dort hinüber, und nach seiner alten Leidenschaft stürzte er sich bald mit Feuer in das Wogen und Aneinanderbranden der Meinungen. Die Redenden achteten im Anfang nicht darauf, bis einer von ihnen, ein Fuhrknecht, plötzlich rief: »Jeses, der Fabrikant! Ja, was willst denn du da, alter Lump? Sei so gut und halt du deinen Schnabel, sonst schwätz ich deutsch mit dir.«
    Betrübt wendete der Angeschnauzte sich ab, aber da gab ihm der Seiler einen Ellbogenstoß und flüsterte eifrig: »Laß dir doch von dem Jockel das Maul nicht verbieten! Sag’s ihm, dem Drallewatsch!«
    Diese Ermunterung entflammte sogleich das Ehrgefühl des Fabrikanten zu neuem Bewußtsein. Trotzig hieb er auf den Tisch, rückte noch mehr gegen die Sprecher hinüber, warf kühne Blicke um sich und rief mit tiefem Brustton: »Nur etwas manierlicher, du, bitt ich mir aus! Du weißt scheint’s nicht, was der Brauch ist.«
    Einige lachten. Der Fuhrknecht drohte noch einmal gutmütig: »Paß Achtung, Fabrikantle! Dein Maul wenn du nicht hältst, kannst was erleben.«
    »Ich brauch nichts zu erleben«, sagte Hürlin, von Heller wieder durch einen Stoß angefeuert, mit Würde und Nachdruck, »ich bin so gut da und kann mitreden wie ein anderer. So, jetzt weißt du’s.«
    Der Knecht, der seinem Tisch eine Runde bezahlt hatte und dort den Herrn spielte, stand auf und kam herüber. Er war der Kläfferei müde. »Geh heim ins Spittel, wo du hingehörst!« schrie er Hürlin an, nahm den Erschrockenen am Kragen, schleppte ihn zur Stubentüre und half ihm mit einem Tritt hinaus. Die Leute lachten und fanden, es geschehe dem Spektakler recht. Damit war der kleine Zwischenfall abgetan, und sie fuhren mit Schwören und Schreien in ihren wichtigen Gesprächen fort.
    Der Seilermeister war selig. Er veranlaßte Finkenbein, noch einletztes Gläschen zu spenden. Und da er den Wert dieses neuen Genossen erkannt hatte, bemühte er sich nach Kräften, sich mit ihm anzufreunden, was Finkenbein sich lächelnd gefallen ließ. Dieser war vorzeiten einmal im Hürlinschen Anwesen betteln gegangen und von dem Herrn Fabrikanten streng hinausgewiesen worden. Trotzdem hatte er nichts gegen ihn und stimmte den Beschimpfungen, die Heller dem Abwesenden jetzt antat, mit keinem Worte bei. Er war besser als diese aus glücklicheren Umständen Herabgesunkenen daran gewöhnt, der Welt ihren Lauf zu lassen und an den Besonderheiten der Leute seinen Spaß zu haben.
    »Laß nur, Seiler«, sagte er abwehrend. »Der Hürlin ist freilich ein Narr, aber noch lang keiner von den übelsten. Da dank ich doch schön dafür, daß wir da droben auch noch Händel miteinander haben sollen.«
    Heller merkte sich das und ging gefügig auf diesen versöhnlichen Ton ein. Es war nun auch Zeit zum Aufbrechen, so gingen sie denn und kamen gerade recht zum Nachtessen heim. Der Tisch, an dem nunmehr fünf Leute saßen, bot einen ganz stattlichen Anblick. Obenan saß der Stricker, dann kam auf der einen Seite der rotwangige Holdria neben dem hageren, verfallen und grämlich aussehenden Hürlin, ihnen gegenüber der dünn behaarte, pfiffige Seiler neben dem fidelen, helläugigen Finkenbein. Dieser unterhielt den Hausvater vortrefflich und brachte ihn in gute Laune, zwischenein machte er ein paar Späße mit dem Blöden, der geschmeichelt grinste, und als der Tisch abgeräumt und abgewaschen war, zog er Spielkarten heraus und schlug eine Partie vor. Der Stricker wollte es verbieten, gab es aber am Ende unter der Bedingung zu, daß »um nichts« gespielt werde. Finkenbein lachte laut.
    »Natürlich um nichts, Herr Sauberle. Um was denn sonst? Ich bin ja freilich von Haus aus Millionär, aber das ist alles in Hürlinschen Aktien draufgegangen – nichts für ungut, Herr Fabrikant!«
    Sie begannen denn, und das Spiel ging auch eine Weile ganz fröhlich

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