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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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hatte. Als er damals froh gewesen war, ins Asyl zu kommen, hatte er nicht bedacht, daß er sich damit selber seinen besten Faden abschneide. Denn ohne Projekte und ohne Aussicht auf allerlei Umtrieb und Spektakel zu leben, dazu hatte er keine Gabe, und daß er damals der Müdigkeit und dem Hunger nachgegeben und sich zur Ruhe gesetzt hatte, das war erst sein eigentlicher Bankrottgewesen. Nun blieb ihm nichts mehr, als sein Zeitlein vollends abzuleben.
    Es kam dazu, daß Hürlin allzu lange eine Wirtshausexistenz geführt hatte. Alte Gewohnheiten, auch wenn sie Laster sind, legt ein Grauhaariger nicht ohne Schaden ab. Die Einsamkeit und die Händel mit Heller halfen mit, ihn vollends still zu machen, und wenn ein alter Blagueur und Schreier einmal still wird, so ist das schon der halbe Weg zum Kirchhof.
    Es war vielerlei, was jetzt an dieser rüden und übel erzogenen Seele zu rütteln und zu nagen kam, und es zeigte sich, daß sie ungeachtet ihrer früheren Starrheit und Selbstherrlichkeit recht wenig befestigt war. Der Hausvater war der erste, der seinen Zustand erkannte. Zum Stadtpfarrer, als dieser einmal seinen Besuch machte, sagte er achselzuckend: »Der Hürlin kann einem schier leid tun. Seit er so drunten ist, zwing ich ihn ja zu keiner Arbeit mehr, aber was hilft’s, das sitzt bei ihm anderwärts. Er sinniert und studiert zu viel, und wenn ich diese Sorte nicht kennen täte, würd ich sagen, ’s ist das schlechte Gewissen und geschieht ihm recht. Aber weit gefehlt! Es frißt ihn von innen, das ist’s, und das hält einer in dem Alter nicht lang aus, wir werden’s sehen.« Auf das hin saß der Stadtpfarrer ein paarmal beim Fabrikanten auf seiner Stube neben dem grünen Spatzenkäfig des Holdria und sprach mit ihm vom Leben und Sterben und versuchte irgendein Licht in seine Finsternis zu bringen, aber vergebens. Hürlin hörte zu oder hörte nicht zu, nickte oder brummte, sprach aber nichts und wurde immer fahriger und wunderlicher. Von den Witzen des Finkenbein tat ihm zuzeiten einer gut, dann lachte er leis und trocken, schlug auf den Tisch und nickte billigend, um gleich darauf wieder in sich hinein auf die verworrenen Stimmen zu horchen.
    Nach außen zeigte er nur ein stilleres und weinerlich gewordenes Wesen, und jedermann ging mit ihm um wie sonst. Nur dem Schwachsinnigen, wenn er eben nicht ohne Verstand gewesen wäre, hätte ein Licht über Hürlins Zustand und Verfall aufgehen können und zugleich ein Grauen. Denn dieser ewig freundliche und friedfertige Holdria war des Fabrikanten Gesellschafter und Freund geworden. Sie hockten zusammen vor dem Holzkäfig, streckten dem fetten Spatzen die Finger hinein und ließen sich picken, lehnten morgens bei dem jetzt langsam herankommendenWinterwetter am geheizten Ofen und sahen einander so verständnisvoll in die Augen, als wären sie zwei Weise. Man sieht manchmal, daß zwei gemeinsam eingesperrte Waldestiere einander so anblicken.
    Was am heftigsten an Hürlin zehrte, das war die auf Hellers Anstiften im »Sternen« erfahrene Demütigung und Schande. An dem Wirtstisch, wo er lange Zeiten fast täglich gesessen war, wo er seine letzten Heller hatte liegenlassen, wo er ein guter Gast und Wortführer gewesen war, da hatten Wirt und Gäste mit Gelächter zugesehen, wie er hinausgeworfen wurde. Er hatte es an den eigenen Knochen erfahren und spüren müssen, daß er nimmer dorthin gehöre, nimmer mitzähle, daß er vergessen und ausgestrichen war und keinen Schatten von Recht mehr besaß.
    Für jeden anderen bösen Streich hätte er gewiß an Heller bei der ersten Gelegenheit Rache genommen. Aber diesmal brachte er nicht einmal die gewohnten Schimpfworte, die ihm so locker in der Gurgel saßen, heraus. Was sollte er ihm sagen? Der Seiler war ja ganz im Recht. Wenn er noch der alte Kerl und noch irgend etwas wert wäre, hätte man nicht gewagt, ihn im »Sternen« an die Luft zu setzen. Er war fertig und konnte einpacken.
    Und nun schaute er vorwärts, die ihm bestimmte schmale und gerade Straße, an ungezählten Reihen von leeren Tagen vorbei dem Sterben entgegen. Da war alles festgesetzt, angenagelt und vorgeschrieben, selbstverständlich und unerbittlich. Da war nicht die Möglichkeit, eine Bilanz und ein Papierchen zu fälschen, sich in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln oder sich in Gottes Namen durch Bankrott und Zuchthaus auf Umwegen wieder ins Leben hineinzuschleichen. Und wenn der Fabrikant auf vielerlei Umstände und Lebenslagen eingerichtet war

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