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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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zählen. Wenn Patienten am Ende einer Sitzung die Stunde zusammenfassen, wessen entsinnen sie sich dann? Niemals der Ideen – es ist immer die Beziehung. Sie erinnern sich selten an eine wichtige Einsicht, die der Therapeut ihnen bot, sondern im Allgemeinen gern an ihre persönliche Beziehung mit dem Therapeuten. Und wenn ich mal raten darf, trifft das sogar auf Sie zu. Warum haben Sie sich so gut an mich erinnert und das, was zwischen uns war, so hoch geschätzt, dass Sie sich jetzt, nach all den Jahren, wegen einer Supervision an mich wenden? Es liegt nicht an meinen beiden Äußerungen – wie provokant sie auch gewesen sein mögen –, nein, ich glaube, Sie spüren eine Verbundenheit zwischen uns. Womöglich hegen Sie eine tiefe Zuneigung zu mir, und weil unsere Beziehung, so schwierig sie auch war, Ihnen etwas bedeutete, wenden Sie sich jetzt wieder an mich in der Hoffnung auf eine Form von Innigkeit.«
    »Falsch in allen Punkten, Dr. Hertzfeld . . .«
    »Na klar, so falsch, dass Sie bei der bloßen Erwähnung von Innigkeit hastig zur förmlichen Anrede zurückkehren.«
    »Falsch in allen Punkten, Julius. Erstens möchte ich Sie vor dem Irrtum warnen, davon auszugehen, dass Ihre Sicht auf die Realität die einzig wahre ist – die res naturalis  – und dass es Ihre Mission ist, andere zu derselben Sichtweise zu bewegen. Sie brauchen und schätzen Beziehungen und nehmen irrtümlicherweise an, dass für mich, genau genommen für jeden, dasselbe gilt und ich, wenn ich etwas anderes behaupte, meine Sehnsucht nach Beziehungen verdränge.«
    »Es kann gut sein«, fuhr Philip fort, »dass sich ein philosophischer Ansatz für jemanden wie mich viel besser eignet. Die Wahrheit ist – Sie und ich sind grundverschieden. Ich habe nie Freude an der Gesellschaft anderer gefunden – ihr Geschwätz, ihre Forderungen, ihre flüchtigen, unbedeutenden Bestrebungen,
ihre sinnlosen Existenzen sind eine Last und ein Hindernis für meinen Umgang mit der Hand voll kluger Köpfe auf der Welt, die etwas Wichtiges zu sagen haben.«
    »Warum dann Therapeut werden? Warum nicht bei den klugen Köpfen dieser Welt bleiben? Warum sich damit abgeben, diesen sinnlosen Existenzen Hilfe anzubieten?«
    »Wenn ich wie Schopenhauer ein Erbe hätte, von dem ich leben könnte, wäre ich heute ganz bestimmt nicht hier. Es ist ausschließlich eine Frage des Geldes beziehungsweise des Mangels daran. Meine Ausbildungskosten haben mein Bankkonto leer geräumt, das Unterrichten bringt mir einen Hungerlohn ein, das College steht kurz vor dem Bankrott, und ich bezweifle, dass es mich wieder einstellt. Ich brauche nur ein paar Klienten pro Woche zu empfangen, um meine Ausgaben zu bestreiten. Ich lebe bescheiden; ich wünsche mir nichts außer der Freiheit, das zu verfolgen, was mir wirklich wichtig ist: meine Lektüre, Nachdenken, Meditieren, Schach und Spaziergänge mit Rugby, meinem Hund.«
    »Sie haben immer noch nicht meine Frage beantwortet: Warum kommen Sie zu mir, obwohl klar ist, dass ich ganz anders arbeite, als Sie arbeiten möchten? Und Sie haben nicht auf meine Vermutung reagiert, dass etwas an unserer früheren Beziehung Sie zu mir hinzieht.«
    »Ich habe nicht darauf reagiert, weil sie so abwegig ist. Aber da sie Ihnen wichtig zu sein scheint, werde ich über Ihre Vermutung nachsinnen. Glauben Sie nicht, dass ich das Vorhandensein fundamentaler zwischenmenschlicher Bedürfnisse anzweifle. Schopenhauer selbst meinte, Zweifüßler – sein Ausdruck – müssten sich am Feuer Wärme suchend aneinander schmiegen. Er warnte jedoch davor, dass man bei zu großer Nähe versengt würde. Er hatte eine Vorliebe für Stachelschweine  – sie schmiegen sich Wärme suchend aneinander, halten mit ihren Stacheln aber immer Abstand. Er schätzte seine Distanz zu anderen hoch und war, um glücklich zu sein, auf niemanden außer sich selbst angewiesen. Und damit war er
nicht der Einzige; andere große Männer, Montaigne zum Beispiel, teilten seine Denkweise.«
    »Ich habe ebenfalls Angst vor Zweifüßlern«, fuhr Philip fort, »und ich stimme mit seiner Beobachtung überein, dass ein glücklicher Mensch jemand ist, der die meisten seiner Mitmenschen meiden kann. Und trifft es nicht zu, dass Zweifüßler aus der Erde eine Hölle machen? Schopenhauer sagte: ›Homo homini lupus‹ – der Mensch ist des Menschen Wolf; ich bin sicher, dass er damit Sartre zu der Geschlossenen Gesellschaft inspirierte.«
    »Alles gut und schön, Philip. Aber Sie

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