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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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mich zusammen; was sollte ich sonst sein? Ich bin eine langweilige, pummelige Bibliothekarin, die Bücher katalogisiert . . . ich . . . ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich bin ganz konfus, ich weiß nicht mehr, wo oder wer ich bin.« Bonnie begann zu weinen, zog ein Taschentuch hervor, putzte sich lautstark die Nase, schloss die Augen, hob beide Hände hoch, beschrieb Kreise in der Luft und murmelte, unterbrochen von Schluchzern: »Das reicht jetzt; mehr stehe ich heute nicht durch.«
    Julius legte einen anderen Gang ein und wandte sich an die ganze Gruppe. »Schauen wir mal, was in den letzten Minuten passiert ist. Wer kann dazu Gefühle oder Beobachtungen äußern?« Nachdem er die Gruppe damit ins Hier und Jetzt überführt hatte, ging er zum nächsten Schritt über. Seiner Ansicht nach gliederte sich die therapeutische Arbeit in zwei Phasen: erstens eine Interaktion, die oft emotional war, und zweitens das Verständnis dieser Interaktion. So sollte eine Therapie voranschreiten  – als Abwechseln des Hervorrufens von Gefühlen mit dem darauf folgenden Verstehen. Also versuchte er jetzt, die Gruppe in die zweite Phase zu geleiten, indem er sagte: »Treten wir mal einen Schritt zurück und betrachten ganz leidenschaftslos, was sich eben zugetragen hat.«
    Stuart wollte eben den Ablauf der Ereignisse schildern, als Rebecca einsprang: »Ich glaube, wichtig war, dass Bonnie ihre Gründe dafür benannte, dass sie sich unbedeutend fühlt, und dann annahm, wir würden alle zustimmen. Als das nicht der Fall war, geriet sie in Verwirrung und weinte und sagte, jetzt hätte sie genug – das habe ich schon öfter bei ihr erlebt.«
    Tony sagte: »Ja, das sehe ich auch so. Bonnie, Sie reagieren sehr emotional, wenn die Aufmerksamkeit auf Sie gerichtet ist. Ist es Ihnen peinlich, im Rampenlicht zu stehen?«
    Immer noch schluchzend erwiderte Bonnie: »Ich hätte es zu
schätzen wissen sollen, aber schauen Sie doch, was für ein Schlamassel ich angerichtet habe. Andere hätten ihre Zeit viel besser genutzt.«
    »Neulich«, sagte Julius, »sprach ich mit einem Kollegen über eine seiner Patientinnen. Er meinte, sie habe die Angewohnheit, Speere aufzufangen, die man auf sie wirft, und sich dann selbst damit zu erstechen. Vielleicht ist das etwas weit hergeholt, Bonnie, aber das kam mir in den Sinn, als ich sah, wie Sie Dinge aufgreifen und sich selbst damit bestrafen.«
    »Ich weiß, dass Sie alle ungeduldig mit mir sind. Ich weiß die Gruppe wohl immer noch nicht zu nutzen.«
    »Sie wissen, was ich jetzt sagen werde, Bonnie. Wer genau war hier ungeduldig? Schauen Sie sich um.« Die Gruppe konnte darauf zählen, dass Julius diese Frage stellte. Man wusste, dass er eine solche Äußerung nie durchgehen ließ, ohne nachzuhaken und sich Namen nennen zu lassen.
    »Also, ich glaube, Rebecca wollte, dass ich aufhöre.«
    »Wassss? Wieso ich . . .?«
    »Warten Sie mal kurz, Rebecca.« Julius griff heute ungewöhnlich lenkend ein. »Bonnie, was genau haben Sie gesehen? Welche Signale haben Sie aufgefangen?«
    »Bei Rebecca? Na ja, sie war still. Hat kein Wort gesagt.«
    »Ich kann es Ihnen auch nie recht machen. Ich habe geschwiegen, damit Sie mir nicht vorwerfen können, dass ich Ihnen Aufmerksamkeit stehle. Können Sie das nicht als Geschenk anerkennen?«
    Bonnie wollte gerade antworten, als Julius sie bat, mit ihrer Beschreibung derjenigen fortzufahren, die sich gelangweilt hätten.
    »Na ja, so konkret kann ich das auch nicht sagen. Aber man merkt einfach, wenn jemand sich langweilt. Ich langweile mich selbst. Philip hat mich nicht angeguckt, aber er guckt ja nie jemanden an. Ich weiß, dass die Gruppe mehr von Philip hören wollte. Was er über Beliebtheit gesagt hat, war für die Gruppe weitaus interessanter als mein Gejammer.«

    »Also, ich fand Sie nicht langweilig«, entgegnete Tony,«und ich habe das auch bei keinem anderen wahrgenommen. Und was Philip zu sagen hatte, war nicht interessanter; er ist so verkopft, dass mich seine Kommentare nicht besonders mitreißen. Ich erinnere mich nicht mal an sie.«
    »Ich schon«, sagte Stuart. »Tony, nachdem Sie bemerkten, dass er immer im Mittelpunkt steht, obwohl er so wenig sagt, meinte er, Bonnie und Rebecca hätten ein ganz ähnliches Problem. Sie gäben zu viel auf die Meinung anderer: Rebecca bläst sich auf, und Bonnie schrumpft – irgendwas in der Richtung.«
    »Sie knipsen schon wieder«, sagte Tony und deutete pantomimisch an, dass er eine Kamera in der Hand hielt und

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