Die Schrift an der Wand
zu. »Können Sie
sich ausweisen?«
Ich gab ihr den Führerschein. Sie drehte und wendete ihn, als
wäre er ein falscher Geldschein. »Hier steht nichts von –
Detektiv.«
»Nein. Aber ich kann Ihnen sagen, wo Sie anrufen können,
zwecks Referenzen.«
Sie gab mir den Führerschein zurück. »Nein, es ist sicher in
Ordnung. Aber Åsa ist nicht zu Hause.«
Ich sah auf die Uhr. Es war zwanzig nach vier. »Aber … Ist
sie denn noch in der Schule?«
»Nein. Trond, mein Mann, hat sie nach der Schule abgeholt.
Sie – hatten noch etwas zusammen zu erledigen.«
»Und wann erwarten Sie sie zurück?«
»Tja, ich …«
Die Antwort blieb ihr erspart. Ein weißer Mercedes bog in die
Auffahrt ein und parkte am Rand des kleinen Rasens. Der Motor
wurde abgestellt, und ein junges Mädchen öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Hinter dem Steuer erkannte ich undeutlich ein
mageres Gesicht unter einem silbergrauen, aber jungenhaften
Haarschopf.
Das Mädchen war ausgesprochen hübsch, mit dunklem, glattem Haar und natürlich roten Lippen. Sie war zierlich und trug
Jeans und eine äußerst exklusive rotbraune Lederjacke. Über der
Schulter hing ein hellbrauner Schulranzen, und ihre Füße
steckten in weißen Basketballschuhen. Aber sie bewegte sich
nicht wie eine Sportlerin, eher wie eine erschöpfte Bürokraft.
Die blauen Augen nahmen meine Anwesenheit wahr, aber nichts
deutete darauf hin, daß sie sich fragte, wer ich sei.
»Aber …« hörte ich Randi Furubø direkt hinter mir murmeln.
Die andere Autotür schlug zu. Ein hagerer, drahtiger Mann
kam auf uns zu. Er trug graue Hosen, einen farbenfrohen
Wollpullover und eine beige Windjacke. Die Jugendlichkeit des
Gesichts wurde noch durch die allzu früh ergrauten Haare
betont; als habe er einmal im Leben eine schockartige Trauer
erlitten. Der Blick, mit dem er mich ansah, war deutlich fragender als der des jungen Mädchens.
»Da kommen sie«, sagte Randi Furubø.
Das Mädchen ging geradewegs an uns vorbei in den Flur, ohne
etwas anderes zu sagen als ein knappes »Hallo« zur Mutter, die
ihr mit einem unbestimmbaren Gesichtsausdruck hinterhersah
und mir dann einen resignierten Blick zuwarf, der eine Art von
Entschuldigung beinhaltete: Teenager …
Der Mann blieb vor mir stehen.
Sie sagte: »Trond, das hier ist Veum, er ist eine Art Detektiv,
und –«
Er wurde dunkelrot im Gesicht. »Was?! Aber wir kommen
doch gerade von da unten! Es ist alles in Ordnung. Bereinigt und
beglichen.«
»Jetzt komme ich nicht ganz mit«, begann ich.
»Wir haben die Lederjacke zurückgegeben, und ich habe ihr
selbst eine neue gekauft!«
»Ja, das hab ich gesehen«, sagte Randi Furubø.
»Die Besitzerin des Ladens war mehr als zufrieden mit dem
Resultat. Unter diesen Umständen gebe es keinen Grund, die
Polizei zu benachrichtigen, sagte sie.«
»Aber er ist nicht deshalb hier, Trond!«
»Nicht?«
»Nein. Es geht um Torild! Sie ist immer noch verschwunden
…«
»Ach?« Er beruhigte sich sichtlich wieder.
»Verstehen Sie, Veum«, sagte sie, »das hier war etwas ganz
anderes; sicher nur ein Mißver …«
»Ja, es gibt keinen Grund, ins Detail zu gehen«, fiel ihr Furubø
ins Wort, »wenn es gar nicht um die Geschichte geht.«
Er wandte sich wieder an mich. »Aber Sidsel hat doch schon
mit Åsa gesprochen. Ich bezweifle, daß wir da noch weiterhelfen können.«
»Aber Ihre Tochter und Torild – sie waren doch Busenfreundinnen, oder nicht?«
»Busenfr … – Sie sind seit der ersten Klasse zusammen zur
Schule gegangen, und ihre Eltern waren gute Freunde von uns,
jahrelang, der Vater und ich sind Kollegen, aber danach sollten
Sie lieber –« Er brach ab.
»Genau das habe ich vor.«
Er sah wieder seine Frau an.
»Wir müssen doch helfen, Trond! Die arme Sidsel, sie muß
ganz verzweifelt sein. Und ich habe nicht einmal …«
»Ja ja …« Er wandte sich zu mir. »Aber nicht ohne daß wir
dabei sind.«
»Wie Sie meinen.«
Ich sah sicher nicht besonders begeistert aus, denn er fügte
rasch hinzu: »Sie haben die Wahl. Entweder reden Sie mit ihr in
unserem Beisein, oder Sie reden überhaupt nicht mit ihr!«
»Okay, okay, ich danke für das Angebot.« Ich sah fragend zur
Tür. »Dann können wir vielleicht …«
»Ja.«
Randi Furubø hielt die Tür auf, und er ging vor mir hinein.
»Hol du sie. Wir reden hier unten mit ihm.«
Er wies mich zu einer Tür rechts. Ich kam in ein kleines Fernsehzimmer mit einer zerschlissenen Ledergarnitur,
Familienfotos an den Wänden, einem
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