Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
Bücherregal mit einer eher
zufälligen Auswahl an Büchern und einem kleinen Kamin,
neben dem ein Korb mit Holz stand und ein Stapel Zeitungen
lag. Die Luft war stickig und kühl, und es roch leicht nach
Kalkputz.
Nachdem er seine Jacke im Flur aufgehängt hatte, kam Furubø
mir nach.
Ich drehte mich zu ihm um. »Heißt das, Sie sind auch Journalist?«
»Nein, ich habe mit der graphischen Gestaltung zu tun. Das
heißt, ich gehöre zu denen, die der Zeitung Form geben.«
»Ich verstehe. Also Sie machen aus Konflikten Kriege und aus
Kollisionen Katastrophen, jedenfalls, was die typographische
Gestaltung angeht, meine ich?«
Er sah aus, als habe er den Spruch schon mehr als tausendmal
gehört. »Falsch«, sagte er scharf. Er erinnerte mich stark an
einen Fußballtrainer, der nach einem verlorenen Meisterschaftsspiel die Presse in der Umkleidekabine empfängt. »Diese
Entscheidungen werden ein paar Stufen höher in der Rangordnung getroffen.«
»Von Leuten wie Holger Skagestøl vielleicht?«
»Zum Beispiel.«
Von der Tür ertönte ein Räuspern, und Randi Furubø schob
ihre Tochter vor sich her in den Raum. »Hier sind wir. Und das
ist der Mann, der mit dir reden will, Åsa.«
Sie entwand sich unwillig der Berührung der Mutter, ohne
etwas zu sagen.
Ich lächelte und streckte meine Hand aus. »Hallo, Åsa. Varg
heiße ich. Varg Veum.«
Trond Furubø schnaubte leise.
Sie gab mir brav und wohlerzogen die Hand, aber mit beinah
gänzlich kraftlosem Griff. »Hallo.«
Sie stand hilflos vor mir. Die Lederjacke hatte sie abgelegt,
und die weiße Hemdbluse verhüllte so gut sie konnte die
Formen ihrer jungen Brüste.
Ich trat einen kleinen Schritt zur Seite und sah auf die Ledergarnitur, aber niemand machte den Vorschlag, daß wir uns
setzen sollten.
Furubø sah auf die Uhr, und seine Frau sagte: »Ja, das Essen
ist fertig.«
»Es wird nicht lange dauern. Du weißt, worum es geht, Åsa?«
Sie nickte.
»Deine Freundin Torild. Sie ist seit letzten Donnerstag nicht
mehr nach Hause gekommen. Hast du eine Ahnung, wo sie sein
könnte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Überhaupt keine?«
Sie schüttelte wieder den Kopf, aber diesmal ohne etwas zu
sagen.
»Sie hat nicht vielleicht einen Freund, von dem ihre Eltern
nichts wissen sollen?«
Sie sah zu Boden. »Nein.«
»Sicher?«
Sie hob den Blick kurz. »Jedenfalls hat sie mir nichts davon
erzählt.«
»Bist du ganz sicher?«
»Hören Sie mal, Veum«, fiel Furubø ein, »wenn wir alle
Fragen mindestens zweimal stellen, dann wird das hier eine
endlose Angelegenheit.«
»Vielleicht sollten Sie einfach raufgehen und anfangen, wenn
es so eilig ist? Mit dem Essen, meine ich.«
Seine Gesichtsfarbe wurde wieder dunkler. »Ich habe es
draußen gesagt, Veum. Sie haben die Wahl zwischen zwei
Möglichkeiten!«
»Ich hab es warm gestellt«, sagte seine Frau beruhigend.
Er starrte sie irritiert, aber wortlos an.
»Es ist okay, Åsa, ich glaube dir. – Aber sag mal … Bist du in
letzter Zeit viel mit Torild zusammen gewesen?«
Sie sah zur Seite. »Nicht mehr als sonst.«
»Und was heißt das?«
»Ahm … Ein paar Abende in der Woche.«
»Und was macht ihr dann?«
»Ähm … Sitzen zu Hause und reden. Gehen in die Stadt und
ins Kino. Und so.«
»Und so? Und was noch?«
»Ahm … Hamburger essen gehen, und so. Wenn wir Geld
haben.« Ein flacher Blick zum Vater. »Rumlaufen und gucken,
in Boutiquen, Plattenläden und so.«
»Unten in der Stadt.«
»Ja. Hier oben ist ja nichts los.«
»Und seid ihr dann nur zu zweit?«
»Nein, es sind fast immer noch mehr dabei.«
»Und wer?«
»Ahm, so’n paar, die wir halt kennen, Mädchen aus der Klasse, oder auch welche, die wir von früher kennen, von den
Pfadfindern und so.«
»Bist du Pfadfinderin?«
»Jetzt nicht mehr.«
»Ich auch nicht.«
Sie sah mich desinteressiert an.
»Und seid ihr nur Mädchen?«
»Nein. Manchmal treffen wir auch ein paar Jungs.«
»Die aus eurer Klasse?«
»Nein, die … Die sind doch nur blöd!«
»Also welche, die älter sind?«
»Ja.«
»Aber ihr kennt sie?«
»Man lernt sich halt kennen.«
»So gut, daß man weiß, wie sie heißen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ein paar schon.«
»Und wo sie wohnen?«
Darauf kaute sie ein wenig herum. »Kann sein.«
Die Mutter bewegte sich unruhig. Der Vater betrachtete mich
mit zusammengepreßten Lippen. Aber keiner von beiden sagte
etwas zu diesem Zeitpunkt.
»Ist Torild mit einem von diesen älteren Jungs – enger zusammen gewesen?«
Sie sah leer vor

Weitere Kostenlose Bücher