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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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zusammen: »Die arme Judith! Deshalb also!« Sie war nicht aus Zufall und nicht aus Leichtsinn hinausgeschwommen. Sie hatte den Tod gesucht!
    Der wohlgemeinte Brief hatte ihr Mädchenherz tödlich verwundet. Sie hatte wohl zuvor schon schwer gelitten, doch sie meinte, die Schuld trügen vorab das Schicksal und die Menschen. Der einstige Offizier war nach ihrer Ansicht nur in einem Punkt schuldig: Er hatte sie von seiner Flucht nicht benachrichtigt, sie in Klausenburg vergessen und nicht mitgenommen. Das war schon furchtbar genug. Es erschütterte ihren Glauben an den Mann und zerbrach sie. Doch dies jetzt, diese Gemeinheit, dass er ihre Briefe anderen gezeigt und übergeben hatte! Gewiss wollte sich Judith am Morgen deswegen umbringen …

    Judith erholte sich am frühen Nachmittag. Doch etwas Fremdes lag in ihrem Wesen. Sie lachte auf eine dümmliche, merkwürdige Art, als man sie Bouillon und ein wenig Cognac trinken ließ und als ein Arzt sie untersuchte. Als wäre sie nicht bei sich.
    Adrienne, die an diesem Tag leicht verspätet am Fuß der Marmorbrücke anlangte, erzählte Bálint all dies. Auch in der Gondel berichtete sie darüber in allen Einzelheiten. Und als sie zu Ende war, vergrub sie sich in den Armen des Mannes – auf der Suche nach Trost und Vergessen.

    Judith genas körperlich; sie ging schon am nächsten Tag im Zimmer herum, sie aß mit Appetit, aber seelisch stellte sich keine Besserung ein. Sie zeigte nicht mehr jene harte Verschlossenheit wie bisher. Darin hatte es Entschlusskraft und Willen gegeben. Jetzt dagegen machte sie den Eindruck eines schwachen Kinds, sie lachte ohne Grund, ihre Worte kamen verlangsamt, und wenn sie sprach, schien sie ein wenig zu speicheln.
    Adrienne hatte unverzüglich der Mutter und dem Vater berichtet. In ihren Briefen sprach sie von einem Unfall, der Gott sei Dank gut ausgegangen sei. Einige Tage später war sie aber gezwungen, den Ton zu ändern und darzulegen, dass Judiths Zustand besorgniserregend sei. Laut dem Psychopathologen, den sie konsultierte, durfte Judith nicht im lärmenden Hotel bleiben; man sollte das kranke Mädchen an einen einsamen Ort, aufs Land oder in ein Sanatorium bringen. Es müsse unbedingt etwas geschehen. Sie bat um Anweisungen. Sie wusste, dass dies für sie hier das Ende des Aufenthalts bedeutete. Das Ende der glücklichen, selbstvergessen verbrachten Tage. Das Ende von allem.
    Abermals vergingen einige Tage. Die Antwort der Mutter traf ein, sie enthielt bloß Klagen. Auch der Vater antwortete; er könne, schrieb er, sich nicht rühren und habe sich an seinen Schwiegersohn gewandt. Er habe darum gebeten, den alten Maier auszuleihen; dieser sei früher Pfleger gewesen und spreche auch Deutsch. Wenn er ihn nach Venedig schicken könnte, würde er für Adrienne eine große Hilfe sein.

    An einem dieser Tage der Wartezeit fuhr Riccardo mit Bálint und Adrienne gegen Süden in Richtung Chioggia. Bei der Abfahrt dämmerte es bereits, denn die Frau pflegte nun länger am Lido zu bleiben. Stumm, in stiller Umarmung lehnten sie sich während der Fahrt hinaus aneinander. Die Ahnung der baldigen Trennung lag über ihnen.
    Trübes Wetter herrschte. Draußen ließen sie die Gondel anhalten. Lange verweilten sie so. Die Lagune war hier am breitesten und am dünnsten besiedelt. Der Abend brach allmählich herein. Die Küsten in der Ferne verloren sich, so wie der Streifen des Horizonts; Wasser und Himmel verschmolzen in einem einzigen, leeren Grau. Rauchgrau alles, wohin man blickte.
    Ihnen war, als gebe es um sie nichts mehr. Als gebe es kein Oben und Unten, keine Farben mehr, weder Zeit noch Raum, noch Vergangenheit und Zukunft – als glitten sie, körperlos und doch fest beisammen, durch die Unendlichkeit der Leere, wie die Liebenden in Dantes »Inferno«, durch den gleichen Dolchstoß ums Leben gekommen. Es war das Nirwana, wo alles sein Ende findet, wo das Alles und das Nichts ineinander stürzen. Sehr spät erst kehrten sie heim.

    Adrienne erschien am nächsten Tag pünktlich. Sie überreichte Abády ein Telegramm. »Ankunft morgen Mittag. Uzdy.« So viel stand darin. Der Mann gab es ihr wortlos zurück und sah Addy fragend an. Sie sagte beinahe frostig: »Du musst in der Frühe verreisen.«
    Kaum aber hatten sie die Häuserzeilen der Stadt hinter sich, als sie sich bereits umarmten. Bei der Trennung sagte sie: »Komm noch zu mir herauf – damit wir uns verabschieden.«
    Im dämmrigen Schlafzimmer liebten sie sich wild. Seit ihrer ersten

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