Die Schrift in Flammen
einen Rückblick in Bánffys inzwischen schon historisch gewordene Jugendzeit zu tun, hatte das Werk zu einem Teil inspiriert. Doch nach Bánffys Aussage waren zu einem nicht minder bedeutenden Teil auch politische Überlegungen für das Unterfangen verantwortlich. Bánffy trug sich am Ende seines Lebens mit der Absicht, Memoiren zu verfassen; fertig geworden sind allerdings nur einige Kapitel sowie Bruchstücke. Unter Letzteren finden sich einige sehr klare und sehr harte Worte Bánffys über seine Beweggründe zur Niederschrift der Trilogie und ebenso über seine Enttäuschung, da sich auch nachträglich kaum jemand bereitfand, aus der Lektüre seiner Bücher die Konsequenzen zu ziehen: »Mit wachsender Besorgnis sah ich, dass trotz der schrecklichen Katastrophe, die unser Volk heimgesucht hatte, niemand die Sünden sehen wollte, die dahin geführt hatten. Niemand beleuchtete die Unmenge von Lügen, durch die unsere Öffentlichkeit vergiftet worden war und die sie vor 1914 für jede Realität unempfänglich gemacht hatte. Niemand sagte: ›Gehe nicht mehr diesen Weg!‹ Niemand rief unsere Nation dazu auf, auch sich selber zu erziehen und die eigene wirkliche Lage zu erkennen. Dazu, dass sie endlich in echter moralischer Einheit zusammenstehen sollte, statt sich auf dem Weg unwahrer Träume treiben zu lassen und wieder bloß den täuschenden Geist von Leitartikeln und Ansprachen, lauter verführerische Komplimente und glitzernde Phrasen zur Kenntnis zu nehmen.
Sehen mussten wir, dass wir uns wieder von jeder Selbstkritik, ja sogar von der Erkenntnis jeder Wirklichkeit entfernten, dass wir wieder in jener Ideologie versanken, die bei uns vor dem Weltkrieg geherrscht hatte. Wir suchten die Erklärung für jeden Übelstand und jeden Fehler einzig außerhalb von uns, und vor unseren eigenen Sünden verschlossen wir die Augen. Wir mussten sehen, dass wir dabei waren, die ungarische Zukunft allein durch die Wiederherstellung der Vergangenheit erreichen zu wollen. Entgegen meiner Hoffnung zog man aus meinem Werk keine Lehre. Niemand erkannte, dass die Kritik, welche die führende Klasse vor 1914 darstellte, richtete und verurteilte, für die Führer nach dem Krieg ebenso gültig war. Dass diese den gleichen Totentanz tanzten wie ihre Vorgänger zwischen 1904 und 1914 und das ebenso unwissend taten, ebenso ohne Sinn für die großen Lebensaufgaben und für die uns umgebenden Gefahren, die unseren nationalen Bestand bedrohten.«
Er war kein Prophet im eigenen Land. Nach der Teilung Siebenbürgens zwischen Ungarn und Rumänien 1940 – Hitler handelte buchstäblich im Sinn des »Teile und beherrsche«, indem er mit dem Schiedsspruch beide Länder an sich band – gehörte Bánffy eine Zeitlang dem Oberhaus des ungarischen Parlaments an; doch der Verächter der nationalistischen Rhetorik wurde bald wieder zur Zielscheibe von Radikalen. Der ungarische Ministerpräsident Miklós Kállay, auf verzweifelter Suche nach einem Ausstieg aus dem Krieg, setzte auf Bánffys persönliche Beziehungen in Rumänien; in seinem und Bethlens Auftrag führte der Graf 1943 in Bukarest unter anderem mit Iuliu Maniu geheime Gespräche über den Vorschlag, dass Rumänien und Ungarn gemeinsam das Lager der Achsenmächte verlassen sollten. Die Idee scheiterte schon im Ansatz, weil man auf rumänischer Seite die vollständige Rückgabe der Siebenbürger Territorien durch Ungarn zur Bedingung machte. Wenig fruchtete später auch Bánffys Bemühung, Ungarns Reichsverweser, Admiral Horthy, zu einem Sonderfrieden zu drängen. Der ungarische Absprungversuch im Oktober 1944 kam zu spät und war dilettantisch organisiert.
Bánffys Anstrengungen, zum Ausscheren seines Landes aus dem Krieg beizutragen, blieben der deutschen Seite nicht verborgen. Die Wehrmacht besetzte sein Schloss in Bonchida und gebrauchte es als Feldlazarett. Die fehlenden Sympathien des Grafen für das nationalsozialistische Deutschland quittierte eine SS-Einheit zuletzt damit, dass sie beim endgültigen Rückzug im Herbst 1944 das ohnehin schon ausgeraubte Schloss in Brand steckte. Bánffy und seine Familie überstanden den Durchzug der Front in der ungarischen Hauptstadt, um die im Winter 1944/45 wochenlang schwere Kämpfe ausgetragen wurden.
Gleich nach dem Krieg kehrte Bánffy noch einmal in das inzwischen wieder ganz rumänisch gewordene Siebenbürgen zurück, und zwar nach Klausenburg; von seinem Schloss in Bonchida standen nur noch die Grundmauern. Und noch einmal übernahm er
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