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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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erfreut, dass er das Angebot ausgeschlagen hatte.
    So setzte er nun die Reise unter Schellengebimmel in der Fuhrmannskutsche langsam in Richtung von Siklód fort.
    In Tat und Wahrheit ist es angenehm, so gemächlich trottend auf dieser verlassenen, langen Straße dahinzufahren, zuzuschauen, wie sich der Staub hinter dem Wagen erhebt und ihn wie ein Schleiervorhang begleitet. Zu beobachten, wie er zögernd den Heuwiesen zuschwebt, wo im neu sprießenden Gras wiederkäuende Kühe liegen und mit Augen, als wären sie Rehe, verträumt zum bimmelnden Gefährt auf der Straße herüberblicken.
    Es ist schön, so still die Strecke zurückzulegen und sich dem eigenen Gefühl zu überlassen, dass er nach so vielen Jahren wieder zu Hause, in Siebenbürgen ist; schön, sich langsam dem Treffen zu nähern, bei dem sich so viele alte Bekannte versammeln werden.
    Nach der Maturitätsprüfung, die er 1895 im Theresianum abgelegt hatte, studierte er einige Jahre an der Universität von Klausenburg und erwarb hier den Doktortitel. Hernach allerdings hielt er sich wieder in der Ferne auf, bereitete sich zuerst in Wien auf das Diplomatenexamen vor und diente anschließend – nach seinem Freiwilligenjahr – zwei Jahre lang im Ausland als Attaché.
    Dann wurde der Wahlkreis von Lélbánya vakant. Man bot ihm das zwischenzeitliche Mandat an. Das traf sich gut. Es war besser, den Auslandsdienst zu quittieren, in dem es auf eine Entlohnung während Jahren keine Aussicht gab und kaum eine Möglichkeit, für die vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen aufzukommen aus der kargen Unterstützung, welche die Mutter ihm zukommen ließ.
    Er wusste, dass ihr das schwer fiel. Es fiel ihr schwer, obwohl sie beträchtliche Güter besaß – etwa sechzehntausend Joch Tannenforst unter dem Vlegyásza, dreitausend Joch »Kanaan-Äcker« in Dénestornya, im Winkel der Flüsse Maros und Aranyos, einige Zwerggüterhier und dort, darunter auch in Lélbánya, drei Viertel des Sees – sie hatte trotzdem niemals Geld, sosehr die Ärmste sich auch um Sparsamkeit bemühte. Es war besser, nach Hause zu kommen, wo sich auch mit kleineren Ausgaben sorglos leben ließ und wo er dank seinen Studien und Erfahrungen im Ausland vielleicht nützlich werden konnte.
    So kam es, dass er dieses Jahr, als er im Frühling 1904 bei der Mutter in Urlaub weilte und der Obergespan von Marostorda ihn in Dénestornya besuchte mit der Anfrage, ob er das herrenlos gewordene Mandat von Lélbánya annehmen würde, dass er da – nach kurzem Zögern – das Angebot annahm. Er machte einzig zur Bedingung, dass er mit einem parteilosen Programm auftreten wolle. Den unheilvollen Parteienkampf, der damals im ungarischen Parlament schon seit 1902 im Gange war und bereits zwei Regierungen weggefegt hatte, kannte er zwar nur entfernt aus der Zeitungslektüre, er fand aber selbst aus der Ferne den Gedanken ganz abstoßend, sich einer Parteidisziplin und Parteileidenschaften unterordnen zu müssen.
    Dem Obergespan war das gleichgültig. Er billigte die Parteilosigkeit bereitwillig, sofern der andere auf der 67-er Grundlage stand. Ihm lag einzig daran – doch das verriet er mit keinem Wort –, dass kein Kandidat der Opposition den Sitz erhalten sollte. Und auch nicht irgendein Fremder wie das letzte Mal, als der Wahlkreis in Budapest von den lokalen politischen Werbern und Agenten feilgeboten wurde, als befände man sich auf einer Auktion. Denn Lélbánya galt als ein kleiner, verrotteter Zwergkreis. Die einst freie königliche Stadt hatte ihr Recht behalten, einen Abgeordneten zu entsenden. Heute war sie nur noch eine Feldstadt mit kaum dreihundert Wählern, die, in zwei bis drei Gruppierungen vereint, es immer verstanden, aus der Hauptstadt den einen oder anderen ehrgeizigen Geldsack als Kandidaten für sich zu gewinnen; den molken und erpressten sie bis zum letzten Tag, jagten ihm Angst ein, indem sie aufeinander zeigten sowie auf einen großmäuligen 48-er, den sie ohne jede Überzeugung nur zu diesem Zweck gegen ihn auftreten ließen. Einmal kam es sogar vor, dass sie in letzter Minute, nachdem der Geldsack die Zahlerei satthatte, aus Rache und zur Schande des Komitats den unechten Kandidaten wählten.
    Bei der Kandidatur Abádys konnte allerdings nichts schiefgehen. Das Bergwerk des Städtchens hatte man längst geschlossen, der Boden rundherum war lauter schlechte, saure Erde, und die Bevölkerung lebte vor allem vom Schilf am See, der den Abádys gehörte. Gegen dessen Eigentümer

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