Die Schrift in Flammen
unregelmäßigen Abständen schlug. Sie zog den Vorhangschleier nicht zur Seite, sie stand nur da und starrte vor sich hin.
Ihr Nachthemd hing zerrissen an ihr, es klebte, von Bálints Tränen nass, an ihren Oberschenkeln. Der Batist fühlte sich an der Haut kalt an, denn draußen war eine frühmorgendliche Brise aufgekommen. Der Windhauch zog den Moskitoschleier zuerst gegen außen, dann wehte er ihn nach innen. Der Schleier deckte ihr den Kopf zu, das zerzauste, schwarze Haar und das Gesicht, er verdeckte sie vom Scheitel bis zum Fuß.
Als wäre er ein Grabtuch, das sich über sie ausbreitete.
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Nachwort
Die Kunst des Politikers
von Andreas Oplatka
Bücher, wir wissen es seit der Spätantike, haben ihre Schicksale. Autoren auch. Die »Siebenbürger Geschichte« (so der schlichte ungarische Originaltitel), dessen ersten Teil der vorliegende Band bildet, ist in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden. Es ist ein Spät- und zugleich das Hauptwerk des Grafen Miklós Bánffy (1873 bis 1950). Die drei Bände, 1934, 1937 und 1940 erschienen, verzeichneten einen überwältigenden Publikumserfolg; Neuauflagen gab es selbst im dunklen Kriegsjahr 1943. Auch an Zustimmung von berufener Seite fehlte es nicht. Antal Szerb, selber Romancier und daneben Essayist, dessen kenntnis- und geistreiches literarhistorisches Werk in Ungarn bis heute lebendig geblieben ist, sprach in Nyugat , der führenden literarischen Zeitschrift des Landes, von einem »hervorragenden Roman«, einer »erstaunlich sicheren Komposition« sowie von »erstrangiger Lektüre«.
Der Rest – nach 1945 für lange Zeit – war Schweigen. Unter kommunistischer Herrschaft galt ein Hochadeliger nichts – als wäre der künstlerische Wert eines Werks von der Herkunft seines Erschaffers abhängig. Dabei mochten die Kulturpolitiker des Regimes beim Inhalt der Trilogie vor einem Dilemma stehen. Denn einerseits war die Beschwörung der aristokratischen Welt von einst, in der Bánffys Roman spielt, unerwünscht. Anderseits aber brach der Autor über seine Standesgenossen unerbittlich den Stab, und mit diesem moralischen Urteil hätten sich die Machthaber im Einparteistaat eigentlich einverstanden erklären können.
Es blieb aber dabei, dass ein Roman dieser Art zur »sozialistischen Kultur« nicht passte. Siebenbürgen als Schauplatz und Thema trug zur offiziellen Abneigung vermutlich bei; die heikle Frage des seit dem Vertrag von Trianon 1920 zu Rumänien gehörenden Territoriums sollte das Verhältnis zum benachbarten »Bruderland« nicht stören. Wie auch immer, Bánffy und seine literarische Leistung wurden aus der Öffentlichkeit verbannt, sie gerieten in Vergessenheit. Erst 1982 entschloss man sich in Budapest dazu, zumindest den ersten Band der Trilogie wieder herauszugeben – im Rückblick lässt sich die Tat als eines der frühen, kleinen Zeichen der sieben Jahre später zum Zusammenbruch führenden Aufweichung erkennen.
Seit der Wende von 1989 wurde die Trilogie in Ungarn wiederholt neu herausgegeben, und der Erfolg blieb dem Roman treu. Der Balassi Verlag in Budapest widmet sich der Gesamtausgabe, die Theaterstücke und die Novellen Bánffys liegen wieder vor; der Autor, noch vor kurzem einzig literarischen Sonderlingen bekannt, hat nun in Ungarn wieder seinen festen Platz und seine Lesergemeinde. Der Durchbruch im Ausland kam wegen der politisch bedingten langen Phasenverschiebung erst um die letzte Jahrtausendwende. Am Anfang standen die englische Ausgabe und ihr Erfolg; die Romantrilogie (oder vorläufig ihr erster Band) liegt mittlerweile auch auf Spanisch, Französisch, Italienisch, Holländisch und nun auf Deutsch vor.
Dies geschieht fünfzig bis sechzig Jahre nach dem Tod des Verfassers und mehr als siebzig Jahre nach dem Erscheinen seines Hauptwerks in der Originalsprache; wer möchte das eigenartige Schicksal dieses Buches leugnen? An Höhen und Tiefen, an Erfolg und an tragischen Wendungen nicht minder arm war das Leben seines Verfassers, des Grafen Miklós Bánffy, einer in ihrer vielseitigen Begabung faszinierenden Persönlichkeit.
»Die Schrift in Flammen« ist keine literarisch verbrämte Autobiografie, Bálint Abády kein Doppelgänger Bánffys. Wohl aber sind manche Züge und Ereignisse aus dem Leben Bánffys, manche Verhältnisse aus seiner Umgebung in den Roman, in die Figur Abádys (und in diejenige
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