Die Schrift in Flammen
immer wortlos, als verehre er in ihnen die Liebe, setzte jetzt aufgeregt und rasch auseinander: »Domani sera! La festa del Redentore! È una festa bellissima! Magnifica! Oooh! Magnifica!«
Sie müssten sich das Redentore-Fest morgen Abend ansehen! »Bisogna vederla! Bisogna vederla! Una gran’ festa!«, wiederholte er feurig und holte mit den Händen zu einer weiten Geste aus, um die Größe des Festes auch auf diese Weise darzustellen. Sie nahmen den Vorschlag an.
Es mochte zehn Uhr sein, als Riccardo diesmal als Erstes zum Hotel Dandolo fuhr und dort Adrienne einsteigen ließ, um dann Bálint bei der Piazzetta aufzunehmen. Lobetti hatte sich sehr hübsch gemacht. Er, der gewöhnlich graue, nicht allzu saubere Leinenkleider trug, erschien jetzt mit einem knallroten Seidenhemd und weiß-gelb gestreiften Hosen; um seine Hüfte aber, hinauf bis zu den mittleren Rippen, war ein grünes Atlastuch mit bunten Fransen gebunden – wunderbar! Und er hatte nicht nur sich selber, sondern auch die Gondel geschmückt. Anstelle des Plachenzelts gab es nun eine Art von Korb, der sich, mit Blumen reich verziert, muschelförmig um den Sitz ausbreitete. Bis zum rückwärts gebogenen Bug war auch im Boot selbst alles voller Blumen und brennender Öllämpchen.
»Per la donna! Per la donna!«, hofierte Lobetti und verbeugte sich wiederholt, als Bálint ihn für sein Werk lobte. Sie fuhren in Richtung der Guidecca los.
Schon von fern sah man das helle Licht, doch als sie die Punta della Dogana umfuhren, bot sich ihnen ein wahrhaft unerwarteter Anblick. Eine in elektrisches Licht getauchte Brücke überwölbte den wohl dreihundert Meter breiten Kanal. Mit hohen, feurigen Bögen und Feuersäulen bildete sie den abschließenden Hintergrund des Bilds. Die Redentore-Kirche seitwärts war auch in hellem Licht. Tausende von Booten lagen vor ihnen: die Paradegondeln von Patriziern, zahllose andere Gondeln, alle mit Lampions und Blumen; längere Kähne, die in der Lagune sonst Algen oder Reisig transportierten, robuste Barken, auf die man an Werktagen Grünzeug oder Öl verlud, sie alle kreuz und quer, die bescheidensten neben den reichsten, alle geschmückt, ob luxuriös oder ärmlich, das spielte keine Rolle. Auf manchem Boot, vorab auf den Barken, hatte man Lauben aufgebaut, in denen gedeckte Tische standen. Hübsche junge Männer tranken Wein, spielten Harmonika, schäkerten mit Mädchen, die alle ihr Venezianer Tuch, das »Sciallo«, trugen, und alle waren anmutig, alle lachten und sangen. In jedem Boot so viele Leute, wie sie darin gerade Platz fanden, und jedermann vergnügte sich fröhlich.
Mitten in dieser Masse von Booten lag die »Serenata«, das größte Schiff. Es erhob sich hoch über die übrigen Barken und war natürlich auch mit Lampions dicht geschmückt. Darauf kostümierte Sänger, Arlecchino oder Pulcinella machten ihre Späße, vielleicht auch weitere Figuren, doch Adrienne und Bálint, umringt von Booten, sahen dies nur von weitem. Viele Gondeln trafen noch nach ihnen ein, sie schlossen auf, bis sie zuletzt im Gedränge die ganze Wasserfläche einnahmen, sodass zwischen den beiden Ufern und zurück bis zur Dogana in der Nacht nichts anderes mehr zu sehen war als nebeneinander liegende Schiffe. Diese zusammengefügte Masse, von einer Barke mit Orchester geschoben, blieb auf wunderliche Weise in langsamer, aber ständiger Bewegung. Nirgendwo, außer in Italien, außer in Venedig, könnte sich das so, ohne gereizte Worte und Stöße abspielen; und auf den Schiffen liefen Sänger auf und ab, trugen scherzhafte Lieder vor, scherzten, spotteten harmlos und liebenswürdig und huschten weiter.
Hinter der strahlenden, für das Fest erstellten Brücke begann nun das Feuerwerk.
Auch dies war eine Traumwelt. Die vielen winzigen Flämmchen um sie herum leuchteten nicht, sie machten die Nacht vielmehr noch tiefer, sie trennten grell selbst das Nächstliegende ab und tauchten die Gesichter der Nachbarn in Dunkelheit. Sie waren auch in dieser mit Lichtern bestreuten Nacht zu zweit glücklich allein.
Dies allerdings war ihr letzter ungestörter Abend.
Draußen am Lido begaben sich die Milóth-Mädchen am Vormittag des nächsten Tags an den Strand, wie sie das auch sonst taten. Das alte Fräulein Morin verblieb natürlich in ihrer Capanna.
Margit, die sich nach einer ziemlich ausgiebigen Strecke schwimmend wieder der Küste näherte, wurde mit einem Mal auf Rufe aufmerksam. Sie kamen nicht von den Badenden, sondern vom Meer her.
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