Die Schriften von Accra (German Edition)
sie zweifeln und traurig sind, vergessen sie doch nie: ›Ich bin nur ein Werkzeug. Herr, erlaube mir, ein Werkzeug zu sein, das deinen Willen offenbart.‹
Sie haben sich für einen Weg entschieden, begreifen aber möglicherweise ihr Ziel erst, wenn sie vor dem Todesengel stehen. Darin liegt die Schönheit dessen, der, allein von der Begeisterung gelenkt, voranschreitet und das Mysterium des Lebens achtet: Sein Weg ist schön, und seine Bürde ist leicht.
Das Ziel kann groß oder klein sein, in weiter Ferne liegen oder gleich vor der Tür, er wird sich mit gebührendem Respekt auf die Suche machen. Er kennt die Bedeutung eines jeden Schrittes und weiß, wie viel Mühe und Üben er gekostet hat und wie viel Eingebung nötig war.
Er konzentriert sich nicht nur auf das Ziel, das er erreichen will, sondern achtet auch auf alles, was um ihn herum geschieht. Oft muss er innehalten, weil ihn die Kräfte verlassen.
Dann erscheint die Liebe und sagt: ›Du glaubst, dass du auf einen Punkt zugehst, dieser Punkt hat jedoch nur durch deine Liebe eine Daseinsberechtigung. Raste ein wenig, doch sobald du kannst, stehe auf, und gehe weiter. Denn seit er weiß, dass du auf dem Weg zu ihm bist, kommt der Punkt dir auch entgegen.‹
Derjenige, der die Frage vergisst, und derjenige, der sie beantworten will, und derjenige, der begreift, dass man statt fragen handeln muss – sie alle werden auf die gleichen Hindernisse stoßen und sich über die gleichen Dinge freuen.
Aber nur derjenige, der demütig und furchtlos den unergründlichen Plan Gottes annimmt, weiß, dass er auf dem richtigen Weg ist.«
Und eine Frau, die in die Jahre
gekommen war und nie
geheiratet hatte, meinte:
»Die Liebe ist nie zu mir
gekommen.«
U nd der Kopte sagte:
»Um die Worte der Liebe hören zu können, muss man zulassen, dass sie sich einem nähert.
Doch wenn sie sich uns nähert, fürchten wir uns vor dem, was sie uns zu sagen hat. Denn die Liebe ist frei und lässt sich weder durch unseren Willen noch durch unsere Taten zähmen.
Diese Erfahrung machen alle Liebenden, doch sie wollen es nicht wahrhaben. Sie glauben, die Liebe ließe sich durch Macht, Schönheit, Reichtum, Unterwürfigkeit, Tränen oder ein Lächeln verführen.
Aber wahre Liebe verführt weder, noch lässt sie sich verführen.
Liebe verwandelt. Liebe heilt. Doch manchmal baut sie tödliche Fallen und zerstört den Menschen, der sich ihr ganz anheimgibt. Wie kann die Kraft, die die Welt bewegt und die Sterne an deren Platz hält, so aufbauend und zugleich so zerstörerisch sein?
Wir gehen immer davon aus, dass wir ebenso viel empfangen müssen, wie wir geben. Aber Menschen, die in der Erwartung lieben, zurückgeliebt zu werden, vergeuden nur ihre Zeit.
Die Liebe ist ein Akt des Glaubens, kein Tauschhandel.
Widersprüche lassen die Liebe wachsen. Auseinandersetzungen halten die Liebe an unserer Seite.
Das Leben ist zu kurz, um so wichtige Worte in unserem Herzen zu verschließen wie beispielsweise: ›Ich liebe dich.‹
Aber erwarte nicht, als Erwiderung dieselben Worte zu hören. Wir lieben, weil wir nicht anders können, als zu lieben. Denn ohne Liebe verliert das Leben seinen Sinn und hört die Sonne auf zu scheinen.
Eine Rose sehnt sich nach der Gesellschaft der Bienen, aber es kommt keine einzige. Und die Sonne fragt:
›Bist du’s nicht allmählich leid zu warten?‹
›Ja, schon‹, antwortet die Rose, ›aber wenn sich meine Blütenblätter schließen, verwelke ich.‹
Daher lasst uns, selbst wenn sich die Liebe nicht einstellen will, offen für sie bleiben. Wenn die Einsamkeit uns zu erdrücken scheint, ist weiterzulieben die einzige Möglichkeit, diese Augenblicke durchzustehen.
Das höchste Ziel des Lebens ist zu lieben. Der Rest ist Schweigen.
Wir müssen lieben. Auch wenn es uns in das Land verschlägt, in dem die Seen aus Tränen gemacht sind. Oh, geheimer, mysteriöser Ort, Land der Tränen!
Tränen führen ein Eigenleben: Manchmal fließen sie, obwohl wir glauben, genug geweint zu haben, immer weiter. Oder sie versiegen unvermittelt, obwohl wir auf eine lange Wanderung durch ein Jammertal gefasst waren.
Weil es uns gelingt, unser Herz trotz allen Leids für die Liebe offen zu halten.
Weil wir gewahr werden, dass derjenige, der gegangen ist, weder die Sonne mitgenommen hat noch uns im Dunkeln sitzenließ. Er ist nur gegangen – und jedes Adieu trägt neue Hoffnung in sich.
Es ist besser, jemanden geliebt und ihn verloren zu haben, als nie geliebt zu
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