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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihr die Stimme zurück. «Dann ist der kleine David mein richtiger Bruder?»
    «Nein. Wie kommst du denn darauf?»
    Das war nicht leicht zu erklären, aber auch nicht so wichtig. «Wo ist mein Brüderchen denn?»
    «Heike hat es in Holland verloren», sagte er. «Bei einem Spaziergang am Strand.»
    «Hat sie es nicht gesucht?» Das überstieg Saskias Begriffsvermögen.
    «Nein. Ich glaube, sie war froh, dass es weg war. Sie konnte nicht noch ein Kind gebrauchen.»
    «Warum nicht?»
    Jetzt kam der schwierige Teil der wahren Geschichte. Er musste sich räuspern, ehe er einen Anfang fand. «Weil ich nicht mehr da war, um für dich und dein Brüderchen zu sorgen.»
    «Wo warst du denn?»
    «Im Gefängnis.»
    «Warum?»
    «Ich hatte etwas Schlimmes getan.»
    «Was denn?»
    «Ich hatte ein Mädchen getötet.»
    «Echt?» Schockiert von dem Geständnis war Saskia nicht, auch nicht ängstlich, nur neugierig. «Warum?»
    Er zuckte mit den Achseln, das war nun wirklich keine Geschichte für Kinderohren. «Es ist lange her», sagte er. «Ich weiß es gar nicht mehr genau. Manchmal passiert so was eben, und nachher kann man keinem erklären, warum es passiert ist.»
    «Aber du bist doch kein böser Mann, oder?»
    «Ich hoffe nicht», sagte er. «Oder hattest du bisher den Eindruck, ich wäre böse?»
    «Nein.» Es kam ein wenig zurückhaltend. «Aber du lügst.»
    «Ja», stimmte er zu. «Manchmal geht es nicht anders, dann muss man lügen, weil man mit der Wahrheit Schaden anrichten würde. Das nennt man Notlügen. Du wärst doch viel lieber in einer Retorte gewachsen als in Heikes Bauch, hab ich recht?»
    Saskia nickte, und er behauptete: «Siehst du, das habe ich mir gleich gedacht, als ich dich sah. Und deshalb habe ich dir nicht sofort die ganze Wahrheit gesagt, nur dass ich dein Papa bin, was ja stimmt. Magst du mich deshalb jetzt weniger leiden?»
    Das wusste Saskia noch nicht. Für einen Morgen war es ziemlich viel auf einmal gewesen. Erst nach ein paar Sekunden schüttelte sie zögerlich den Kopf.

[zur Inhaltsübersicht]
    5. Teil
    Der Polizist aus dem Dorf
21. Oktober 2010
    Kurz vor acht traf Bernd Leunen in der Ludwig-Uhland-Straße ein. Er hatte sich nach kurzer Rücksprache mit dem Dienststellenleiter selbst zur ersten Befragung der Nachbarschaft eingeteilt, weil er sich mit eigenen Augen davon überzeugen musste, dass den Tatsachen entsprach, was wie ein Donnerschlag durch die Wache gekracht war.
    Heike Jentsch tot. Verstorben unter mysteriösen Umständen. Was Gerhild als Schramme über dem linken Ohr registriert hatte, entpuppte sich bei der Untersuchung durch den Notarzt als Platzwunde, die über dem linken Scheitelbein begann und über dem linken Ohr endete. Ob diese Verletzung zum Tod geführt hatte, wollte der Notarzt nicht beurteilen. Es könne durchaus zu einer Hirnblutung gekommen sein, das würde sich bei der Obduktion herausstellen, meinte er.
    Die um Längen wahrscheinlichere Todesursache – ein offener Bruch auf der rechten Schädelseite mit Durchtrennung der Dura mater, unter der die weiche Hirnmasse frei lag – wurde erst sichtbar, als Bernd Leunen schon vor Ort und endlich auch der Erkennungsdienst eingetroffen war.
    Heike Jentsch wurde aus allen Perspektiven abgelichtet. Danach erhielten die beiden Sanitäter die Erlaubnis, die Leiche aus der Wanne zu heben. Weshalb sie sich später in der Wache bis auf die Unterwäsche ausziehen und ihre Oberbekleidung dem Erkennungsdienst überlassen mussten.
    Die Platzwunde auf der linken Kopfseite musste heftig geblutet haben. Deshalb meinte Kuhn – der mit Gerhild gesprochen und mit Lothar Steffens telefoniert hatte und trotzdem nicht von seiner Unfalltheorie lassen konnte –, Heike habe sich wahrscheinlich schon vorher irgendwo heftig den Kopf gestoßen, sei dann auf dem nassen Wannenboden ausgerutscht und mit der rechten Kopfseite auf die Armatur oder den Wassereinlauf geschlagen. Beides befand sich mittig über der Längsseite der Wanne.
    Bei der Armatur handelte es sich um zwei alte Drehregler für Kalt- und Warmwasser sowie eine Halterung für den Brausekopf, den Heike an einer Stange an der Wand befestigt hatte. Der Wassereinlauf darunter ragte etwa achtzehn Zentimeter über den Wannenrand hinaus und barg durchaus ein gewisses Verletzungsrisiko. Trotzdem war Kuhns Einwurf absurd. Und unter anderen Voraussetzungen hätte der Notarzt sich an die Stirn getippt, um das zu verdeutlichen.
    Weil inzwischen jedoch zwei Männer vom Kriminaldauerdienst

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