Die Schuldlosen (German Edition)
gelassen hätte. Letzte Woche Mittwoch hat sie die Wache angerufen, weil er ihr Kaffeebüdchen trotz mehrfacher Aufforderung nicht verlassen wollte. Und ein Einbruch ist auszuschließen, da müsste man an der Tür noch Spuren sehen.»
«Einen Einbruch hätte Frau Jentsch garantiert auch angezeigt», meinte Brelach und bewies mit den nächsten Sätzen, dass sie neben Ehrgeiz und Kompetenz auch über Humor verfügte. «Ebenso können wir wohl ausschließen, dass Herr Junggeburt sich über zwei Stockwerke vom Flachdach abgeseilt hat oder im Schutz der Dunkelheit wie ein begnadeter Fassadenkletterer von unten heraufgekraxelt ist.»
Bernd Leunen erlaubte sich ein flüchtiges Lächeln und kam abschließend zum Ergebnis seiner Fragerunde auf der Etage. Mit Ausnahme von Rita Zumhöfer hatte am vergangenen Abend oder in der Nacht keiner etwas Ungewöhnliches oder Alarmierendes gehört. Wobei man spätes Wasserrauschen über dreißig oder vierzig Minuten noch nicht unbedingt als alarmierend bezeichnen konnte. Poltern oder Hilfeschreie wären bei den dünnen Wänden wohl auch anderen Nachbarn aufgefallen.
«Wenn sie duschte, hatte sie wahrscheinlich keine Zeit zum Schreien», kommentierte Brelach. «Das Wasser lief, sie hörte nicht, dass jemand hereinkam. Wenn sie gerade den Kopf unter die Brause hielt, hatte sie wahrscheinlich die Augen geschlossen. Dann schob jemand den Vorhang zur Seite, sie bekam eins übergebraten und hatte nicht mal mehr die Zeit zu begreifen, wie ihr geschah.»
Dem hatte Bernd Leunen nichts hinzuzufügen. Und leider hatte er es nach der auf Alex passenden Beschreibung versäumt, von Rita Zumhöfer Auskünfte zu anderen Besuchern einzuholen. Die es gegeben haben musste, weil sie den attraktiven Dunkelhaarigen nur als ein Beispiel angeführt hatte.
Hauptkommissarin Brelach betrachtete die geschlossene Wohnungstür mit dem Spion in Augenhöhe, grinste ihn an und schlug vor: «Fragen wir noch mal. Wetten, die Dame wartet schon darauf?»
Kaum ausgesprochen, stand sie auch bereits vor der Tür und klopfte. Weit entfernt konnte Rita Zumhöfer sich wirklich nicht aufgehalten haben, sie öffnete sofort. Und gegenüber einer jungen Frau, die sich freundlich lächelnd als Angehörige der Kriminalpolizei auswies und betonte, wie sehr man auf die Unterstützung aufmerksamer Nachbarn angewiesen sei, lief Rita Zumhöfer zur Höchstform auf.
Sicher konnte sie die Männer beschreiben, mit denen Heike Jentsch verkehrt hatte. Ihr war auch noch etwas Wichtiges eingefallen. Ehe sie am Dienstagabend letzter Woche den jungen Mann gesehen hatte, hatte sie nebenan eine lautstarke Unterhaltung gehört. Einen Streit wollte sie es nicht nennen. Verstanden hatte sie auch nicht viel, nur dass es um eine Hose und ein Paar Schuhe gegangen und ein paarmal der Name Alex gefallen war.
Kurz nach elf machten sich Bernd Leunen und Dina Brelach – ihren Vornamen hatte sie ihm schon im Aufzug verraten – auf den Weg nach Garsdorf. Dina Brelach gab sich freundlich und kollegial, für Bernd Leunen eine neue Erfahrung. Nach Janice Hecklers Tod war er für die Kölner Kripo nur ein Zeuge gewesen, der ein paar Auskünfte zu den Vorfällen in der Kneipe geben konnte. An seinen Ansichten über Täter und Opfer waren sie nicht interessiert gewesen. Ganz anders Dina Brelach, sie hatte schnell erfasst, dass er gut informiert und persönlich involviert war. Sie wollte seine Meinung hören. Und er wusste nicht, was er sagen sollte.
Gestern noch hätte er beide Hände für Alex ins Feuer gelegt und geschworen, dass der nur sein Kind sehen wollte. Dem war wohl auch so. Und wenn die Kindsmutter sich querlegte … Durchaus möglich, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der von Frau Zumhöfer letzte Woche Dienstag belauschten lautstarken Unterhaltung in Heikes Wohnung und dem Polizeieinsatz im Kaffeebüdchen am nächsten Tag gab, wie Dina Brelach annahm. Aber es reichte doch wohl, wenn er ihr mit einem Nicken zustimmte.
Bernd Leunen hatte nicht vor, einer Hauptkommissarin der Kölner Kripo auch noch auf die Nase zu binden, dass er Alex geraten hatte, mit Heike zu klären, ob, wann, wie oft und wie lange er seine Tochter sehen durfte.
Und dann waren sie sich offenbar wegen der alten Geschichte in die Haare geraten. Hose und Schuhe, damit konnten eigentlich nur die damals verschwundenen Sachen von Janice Heckler gemeint sein. Und beim zweiten Versuch am Mittwoch im Kaffeebüdchen hatte Alex dann auf Granit gebissen, weil Heike ihm
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