Die Schuldlosen (German Edition)
Rita Zumhöfer. Sie hatte jedenfalls des Öfteren Herrenbesuch bei Heike, zumindest vor deren Tür, registriert. Letzte Woche Dienstag zum Beispiel einen attraktiven jungen Mann mit dichtem dunklem Haar. Rita Zumhöfers Augen leuchteten bei dieser Beschreibung unwillkürlich auf.
Bernd Leunen dachte sofort an Alex. Ihm wurde mulmig, als er anschließend von Kuhn hörte, welche Beschuldigungen Lothar Steffens gegen Alex vorgebracht und was Lothar sonst noch telefonisch durchgegeben hatte.
Gelöste Radmuttern an Heikes Honda, die Bernd Leunen nun besonders bitter aufstießen, weil er sie abgewimmelt hatte, als sie deswegen Anzeige erstatten wollte. Geklauter Ersatzschlüssel für die Wohnung, geköpfte Rosen, zuletzt vorgestern ein tätlicher Angriff vor Zeugen beim Kaffeebüdchen und die Drohung, wiederzukommen, wenn sie ungestört wären.
Den schon in den ersten Tagen nach der Haftentlassung vermeintlich aus dem Hause Steffens entwendeten Autoschlüssel und die wiederholte, unbefugte Nutzung des VW Passat hatte Lothar auch angeführt, das hatte er sich nicht nehmen lassen.
Bernd Leunen fragte sich, wie viel davon er glauben sollte oder musste. Abgesehen von einigen Fahrten in Lothars Auto, die hatte das Kind ja ebenfalls erwähnt. Bliebe vielleicht nur zu klären, ob Lothars Frau den Autoschlüssel freiwillig herausgerückt hatte. Sie müsse Alex doch auch freiwillig in ihr Haus gelassen haben, meinte Bernd Leunen. Zu dem Vorfall am Dienstagnachmittag würde die Kölner Kripo sich garantiert mit den anderen Personen unterhalten, die dabei gewesen waren.
Kurz nach zehn erschienen zwei Ermittler aus Köln im zehnten Stock des Hochhauses. Bernd Leunen hatte seine Befragung der unmittelbaren Nachbarschaft längst abgeschlossen und lungerte vor dem Aufzug herum, weil er sich nicht aufraffen konnte, seine Tätigkeit auf andere Etagen auszudehnen, aus Angst, wichtige Erkenntnisse zu verpassen.
In der Wohnung wurde immer noch nach Spuren gesucht und alles gesichert, was nach einer Spur aussah. Abgesehen davon waren die Männer vom KDD im Haus unterwegs. Die sahen es gar nicht gerne, wenn ein Dorfsheriff sich einbildete, ihnen etwas Arbeit abnehmen und ebenso gut wie sie erledigen zu können. Er hatte bereits für sein Vorpreschen bei den Nachbarn auf der Etage einen Verweis kassiert und machte sich beim Anblick der Neuankömmlinge auf weitere gefasst.
Ein Pärchen, den Mann schätzte er auf Anfang vierzig. Ein unfreundlicher, nervös wirkender Typ, der sich grußlos zum Erkennungsdienst in die Wohnung gesellte. Die Frau mochte Anfang dreißig sein und stellte sich als HK Brelach vor, was Bernd Leunen erstaunte. Hauptkommissarin in dem Alter, das war ungewöhnlich und sprach für herausragende Leistungen.
«Gibt es einen besonderen Grund, dass Sie den Aufzug bewachen?», wollte sie von ihm wissen.
«Nein, ich, äh …», begann er stammelnd, riss sich zusammen und erstattete so sachlich wie möglich Bericht über das, was ihn beschäftigte: Haftentlassener will sein Kind sehen, Kind will ebenfalls, Mutter will nicht, Tante noch weniger, die will sogar Anzeige wegen Kindesentführung erstatten. Damit war er bereits bei den jüngsten Ereignissen, ehe Brelach nachfragen konnte, für welche Straftat der Haftentlassene gesessen hatte.
Die gelösten Radmuttern und die geköpften Rosen, die auf Heikes Handy gespeichert waren, wie schon jemand festgestellt hatte, wären Herrn Junggeburt kaum nachzuweisen, meinte Brelach. Und die angeblich gestohlenen Ersatzschlüssel fand der Erkennungsdienst zwischen Pfannenwender, Schneebesen, Suppenkelle und dergleichen in einem Küchenschubfach, noch während Bernd Leunen die junge Hauptkommissarin ins Bild setzte.
«Damit hätte sich das auch erledigt», sagte sie. «Wobei jemand, der das Mäppchen zuvor unrechtmäßig in seinen Besitz gebracht hat, es in der vergangenen Nacht natürlich auch in das Küchenschubfach gelegt haben kann, um den Anschein zu wecken, es sei nur verlegt worden. Aber wie und wann sollte Herr Junggeburt sich das Mäppchen vorher angeeignet haben?»
«Das frage ich mich schon die ganze Zeit», sagte Bernd Leunen und dachte bei sich: Letzte Woche Dienstag. Aber Frau Zumhöfer hatte den attraktiven Dunkelhaarigen doch nur vor Heikes Tür gesehen. Das hieß noch lange nicht, dass Heike ihn hereingelassen hatte. Und deshalb erklärte er seinen mulmigen Gefühlen zum Trotz: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Heike Jentsch ihn freiwillig in ihre Wohnung
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