Die Schule der Spielleute
die meisten anderen Gäste dieses Hauses ebenfalls zu, denn der Schankraum war fast leer. Eine ältere Magd versuchte zu fegen. Dazwischen lief Gottfrid aufgeregt hin und her, probierte zusammenhanglose Tonfolgen, raufte sich die Haare und überlegte laut, welche Stücke er wohl vortragen sollte. Immerhin hatte er in Erfahrung gebracht, dass er sich nach der Non im Lager des Grafen am Mainufer einfinden sollte zum Pfeiferwettstreit.
Unter dem Fenster zur Straße saß Katherine mit ihrer Mutter und nähte fieberhaft an einem Stück rotem Tuch, das sie mit runden Zaddeln versah.
Als Alheit eintrat, stellte die Magd den Besen in die Ecke und brachte dafür Brot und Wein. Marjorie legte die Näharbeit auf der Stelle beiseite und teilte das Mittagbrot aus. Kurz darauf kehrten die ersten Gäste von ihren Geschäften auf der Messe zurück. Der Raum füllte sich schneller, als Alheit es erwartet hätte. Gerade rechtzeitig stieß Baldwin zu ihnen und erhielt Roberts Anteil.
ťUnd dein Mann?Ť, fragte Alheit.
Sie zuckte die Schultern. ťDer wird in der Stadt etwas finden.Ť
Baldwin bat um den Segen, und sie aßen schweigend. Dann erzählte er von seinem Besuch bei den Schreibern des Erzbischofs: ťDer Bote aus Worms hat mich gut eingeführt. Ich konnte mich zwar mit den beiden Kanzlisten auf Lateinisch unterhalten, aber das hat uns nicht viel weitergebracht. Der Bote hat den Fall geschildert, wie der Platzmeister es ihm aufgetragen hat, der eine Schreiber hat es notiert und glaubt, dass wir bis morgen früh eine Antwort bekommen werden. Anscheinend ist euer besonderer Freund nicht mit dabei, Gottfrid. Von den beiden Schreibern hat keiner den Eindruck gemacht, als könnte er sich überhaupt an eure Namen erinnern.Ť
ťOhŤ, sagte Gottfrid abwesend. Dann merkte er, dass ihn die anderen erwartungsvoll anschauten. ťWie, Walter ist nicht hier?Ť
ťOffenbar nicht.Ť
ťDas ist schlecht. Er hat uns immer geholfen.Ť
Alheit wusste nicht, ob sie die Gleichgültigkeit der Schreiber als schlechtes oder gutes Zeichen werten sollte. Die Ungewissheit nagte an ihr. Gab es keine Möglichkeit, eine für sie günstige Entscheidung zu erzwingen?
ťKannst du nicht etwas schreiben?Ť, fragte sie Baldwin.
Erschrocken riss er die Augen auf. ťKurtrierische Schreiber täuschen? Das wird mir nie gelingen. Einen Mann wie Rudolf Losse
Ť
ťGlaubst du, der Bote aus Worms kann lesen?Ť
ťNein, das nicht.Ť Offenbar überlegte er sich die Sache. ťVielleicht kann ich ihn sogar bereden, dass ich morgen allein zu den Schreibern gehe.Ť
ťHast du alles, was du brauchst?Ť, fragte sie.
Fast erstaunt antwortete Baldwin: ťNein. All mein Werkzeug ist in Worms geblieben.Ť
Sie kramte einige Heller aus ihrem Beutel und schob sie ihm zu. Er nickte.
Marjorie beobachtete die beiden scharf. ťWas hast du vor, Alheit?Ť, fragte sie. ťDu wirst nicht still abwarten, nehme ich an.Ť
Heftig schüttelte Alheit den Kopf. Dabei wusste sie keineswegs genau, was sie tun wollte. Um an Wolframs alten Mantel zu kommen, müsste sie in Gudas Quartier eindringen. Sie zweifelte, ob ihr das gelingen würde. Gern hätte sie diese Aufgabe Robert überlassen. Andererseits schien es ihr zu gewagt, nur auf Baldwins Plan zu vertrauen.
ťNun?Ť Marjorie gab nicht auf.
ťIch werde versuchen, den Mantel und den Gürtel zu beschaffenŤ, verkündete Alheit.
Die Harfnerin schüttelte den Kopf. ťWas tun wir Frauen nicht alles für unsere Männer. Ich komme mit und warne dich bei Gefahr.Ť
Katherine, die bisher eifrig mit Gottfrid getuschelt hatte, hob den Kopf und schaute die beiden erschrocken an. ťAber das dürft ihr doch nicht.Ť
ťEs tun so viele Leute Dinge, die sie nicht dürfen, selbst KönigeŤ, entgegnete Marjorie.
ťAber was ist aus deinem Lied geworden?Ť, fragte Katherine weiter. ťSollte das nicht unsere Rache werden?Ť
Marjorie blickte sich in der vollen Gaststube um. ťNicht vor so vielen LeutenŤ, erwiderte sie streng. ťUnd du kommst auch mit uns.Ť
Das Mädchen biss sich auf die Lippen. ťWas soll ich dabei?Ť
ťDas Gleiche wie ich. Jetzt komm.Ť
Alheit war nicht wohl bei der Sache. Dennoch führte sie ihre Begleiterinnen zu dem schmalen Haus mit zwei immer weiter vorkragenden Obergeschossen, in dem Guda untergekommen war. Die Tür stand offen, weil stets Gäste ein und aus gingen. Davor saß ein alter Mann, schnitzte Löffel und sprach jeden an, der an ihm vorüber wollte.
ťWie heißt die Frau?Ť, erkundigte sich Marjorie, als sie etwa drei
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