Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
dann werden wir sehen, was sich machen lässt.«
Mattias Kramer schob die Brille zurecht und schluckte.
»Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee vielleicht?«
»Nein danke. Nein, ist nicht nötig. Können Sie mir zusagen, dass das hier nicht an die Öffentlichkeit gelangt? Das wäre… es wäre die reinste Katastrophe für mich, wenn meine Ehefrau etwas davon erführe.«
Münster lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ einige Sekunden verstreichen.
»Ich kann Ihnen keine Garantie geben«, sagte er. »Das müssen Sie verstehen. Unsere Aufgabe bei der Polizei ist es, Verbrechen zu bekämpfen, und wenn Sie mir etwas berichten, was…«
»Es ist nichts Kriminelles«, unterbrach Kramer ihn eifrig. »Absolut nichts in der Richtung… alles ist eine rein private Angelegenheit, aber es würde mein Leben zerstören, wenn… ja, wenn es rauskäme.«
»Ich verstehe«, sagte Münster. »Nun erzählen Sie mir erst einmal, warum Sie hier sind, ich habe natürlich nicht den geringsten Grund, Ihnen das Leben schwer zu machen.«
Mattias Kramer räusperte sich und zögerte einen Moment.
»Tomas Gassel«, sagte er dann.
Es dauerte eine Sekunde, bis Münster sich an den Namen erinnerte.
»Ja?«, sagte er.
»Pastor Gassel ist im September verunglückt.«
»Ja, sicher, das weiß ich.«
»Ich habe gestern im Fernsehen die Sendung gesehen. Ich habe schon den ganzen Herbst überlegt, ob ich Kontakt zu Ihnen aufnehmen soll, mich aber nicht getraut. Aber als ich gestern das Foto von ihm gesehen und gehört habe, was die Polizei dazu meint, ja, da war mir klar, dass ich mit Ihnen reden muss.«
»Jaha?«, sagte Münster.
»Wir hatten eine Beziehung.«
»Eine Beziehung?«
»Ja. Tomas war homosexuell, ich weiß nicht, ob Sie das wissen?«
Münster nickte.
»Doch, ja«, sagte er. »Das wissen wir. Und Sie sind also auch homosexuell?«
»Bi«, murmelte Mattias Kramer und schlug die Augen nieder. »Ich bin bisexuell, das ist viel schlimmer.«
Münster wartete. Blätterte eine leere Seite auf seinem Notizblock auf und schrieb Mattias Kramers Namen auf. Es war kaum als Neuigkeit zu bezeichnen, dass es schwerer war, bisexuell als homosexuell veranlagt zu sein, und so, wie sein Besucher aussah, trug er zweifellos deutliche Spuren dieser Anstrengung. Er schien gar nicht zu wissen, wie man gerade auf einem Stuhl sitzen konnte, wechselte immer wieder die Haltung, und sein Blick flatterte über den Boden, als hätte er dort etwas verloren und versuchte, es wiederzufinden.
»Ich bin verheiratet, und ich habe eine kleine Tochter«, erklärte er schließlich. »Wir wohnen in Leerbach.«
Münster machte sich Notizen. »Weiter«, bat er.
Kramer versuchte, sich zu sammeln und aufzurichten.
»Meine Frau weiß nichts davon«, sagte er. »Ich wusste es ja selbst nicht, als wir geheiratet haben, es hat sich sozusagen angeschlichen. Ich kann nichts machen, es ist wie ein dunkler Trieb, gegen den ich mich nicht wehren kann.«
»Mir ist klar, dass das schwierig ist«, sagte Münster. »Sie hatten also in aller Heimlichkeit eine Beziehung mit Pastor Gassel?«
Kramer seufzte.
»Ja. Wir kennen uns seit einigen Jahren… haben uns gekannt, sollte ich wohl besser sagen. Wir haben uns ein paar Mal getroffen, und… ja, es hat mir genügt, wenn ich einmal im Monat oder so meinen Bedürfnissen Luft machen konnte. Oder sogar noch seltener, ich gehe gar nicht davon aus, dass Sie mich verstehen, ich erzähle nur, wie es ist.«
»Natürlich«, sagte Münster.
»Wenn ich daran denke, und dann an meine Familie, dann ist es manchmal so schrecklich, dass ich am liebsten alles beenden würde… irgendwie. Ich kann nur hoffen, dass es vorübergeht. Es fing ja erst im Erwachsenenalter an, und da gibt es vielleicht noch eine Chance…«
Er verstummte. Münster betrachtete ihn eine Weile nachdenklich.
»Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen«, sagte er. »Ich verstehe Ihr Dilemma. Vielleicht erklären Sie mir jetzt lieber, inwieweit Sie in Tomas Gassels Tod verwickelt sind? Das ist doch wohl der Grund, warum Sie gekommen sind?«
Kramer nickte einige Male und schob wieder die Brille zurecht.
»Ja, natürlich. Entschuldigen Sie. Ich wollte nur, dass Sie über den Hintergrund Bescheid wissen. An diesem Abend also…«
»Am 2. Oktober?«, fragte Münster.
»Ja, an dem Abend, als er starb. Da war ich auf dem Weg, um mich mit ihm zu treffen. Meine Frau glaubte, ich wollte zu einem Kursus, aber das stimmte nicht. Ich war in dem Zug nach Maardam, um
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