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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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»Hier?«
    »Jetzt, sofort«, sagte Marlene Frey. »Ich habe nur noch fünf Minuten.«
    »Aber…?«, versuchte Van Veeteren es.
    »Ich bin in einer Dreiviertelstunde wieder zurück. Sie hat gegessen und ist gerade erst eingeschlafen, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Eine Stunde allerhöchstens, du kannst ihr auch die Decke runternehmen, und saubere Windeln sind im Korb unter dem Wagen, falls es nötig sein sollte… Also, dann tschüs bis gleich!«
    »Tschüs«, sagte Van Veeteren, und Marlene Frey verschwand auf den Kupinski-Markt hinaus.
    Er betrachtete den Wagen und betrachtete Seneca, den er immer noch in der Hand hielt. Legte Seneca beiseite. Hob vorsichtig den Regenschutz vom Wagen, klappte das Verdeck herunter und zog die Decke bis zum Fußende des Wageneinsatzes hinunter. Andrea verzog keine Miene, sie schlief wie ein Stein, mit dem Schnuller in einem Mundwinkel und einer Speichelblase in dem anderen.
    Gute Güte, dachte er. Hoffentlich wacht sie mir nur nicht auf. Sie könnte ja einen Schaden fürs Leben mitkriegen.
    Vorsichtig manövrierte er den Wagen ein Stück weiter zwischen die Regale. Musste feststellen, dass die Passage zum Hinterzimmer (das ja, wie gerade bewiesen, einen ausgezeichneten Schlafplatz darstellte) zu eng war, aber die geschützte Ecke zwischen Landkarten und Kriminalliteratur musste genügen. Falls irgendein Kunde kommen und nach Krimis fragen würde, konnte er den immer noch zur Hölle wünschen. Oder bitten, am Montag wiederzukommen.
    Er holte seine Kaffeetasse und seinen Seneca. Ließ sich auf der niedrigen Leiterstufe einen halben Meter vorm Kinderwagen nieder und schaute auf die Uhr. Es waren vier Minuten vergangen, seit Marlene Frey verschwunden war. Was hatte sie gesagt?
    Eine Dreiviertelstunde? Er spürte sein Herz klopfen.
    Ganz ruhig bleiben, dachte er stoisch. Was ist denn mit mir los? Schließlich handelt es sich doch nur um ein kleines Kind.
    Zehn Minuten später hatte er die Seite 37 in den Briefen an Lucilius viermal gelesen. Andrea hatte zweimal tief geseufzt, aber ansonsten war die Lage unverändert.
    Die Türglocke läutete. Er fluchte innerlich und beschloss, seine Anwesenheit im Laden nicht zu verraten. Warum hatte er nur nicht abgeschlossen und die Vorhänge vorgezogen? Und hatten die Leute denn wirklich nichts Besseres zu tun, als an einem regnerischen Samstag wie diesem ins Antiquariat zu rennen? Wenn sie denn unbedingt lesen mussten, konnten sie sich dann nicht lieber neue statt alte Bücher kaufen?
    »Hallo?«
    Es dauerte nur kurz, bis er die Stimme identifiziert hatte.
    Inspektorin Moreno.
    Er hielt schnell mit sich selbst Kriegsrat. Vielleicht war eine Frau gar nicht so schlecht?, dachte er. Falls es in irgendeiner Weise kritisch werden sollte. Ewa Moreno hatte zwar noch keine eigenen Kinder, aber schließlich war sie dennoch ein weibliches Wesen.
    In höchstem Grad weiblich, kam ihm in den Sinn.
    »Ja.«
    Ihr dunkler Kopf lugte um die Ecke mit den Biografien und Varia.
    »Herr Hauptkommissar?«
    Er machte sich nicht die Mühe, sie wieder einmal zu korrigieren.
    »Ja, natürlich. Guten Morgen, Frau Inspektorin, aber ich denke, wir sollten lieber etwas leiser reden. Hier liegt nämlich jemand und schläft.«
    Moreno trat heran und schaute in den Wagen. Andrea holte wieder tief Luft und ließ den Schnuller rausrutschen.
    »Oh je, ich wusste ja nicht… wer ist das denn?«
    »Andrea«, erklärte Van Veeteren.
    »Ach ja?«
    »Meine Enkeltochter, die Tochter meines Sohns. Achtzehn Monate alt. Ein richtiger Schatz.«
    Moreno lachte, wurde aber schnell wieder ernst.
    »Die Tochter deines Sohnes. Wie… ich meine…«
    »Hm«, sagte Van Veeteren. »Komm, lass uns ein Stück weiter gehen, damit wir sie nicht aufwecken. Habe ich das nicht erzählt?«
    Sie gingen in den Raum, der zur Straße zeigte.
    »Nein«, antwortete Moreno. »Du hast nichts erzählt.«
    Van Veeteren zog seinen Zigarettendrehapparat heraus, entschied sich aber dann anders. Es war sicher nicht gut für Andrea, in so jungen Jahren schon Tabakrauch inhalieren zu müssen.
    »Doch, ja, das ist Erichs Tochter«, erklärte er. »Er hat eine Spur von sich in der Welt gelassen, bevor er gestorben ist, trotz allem. Zwar hat er seine Tochter nie sehen können, aber es ist seine Tochter, die da drinnen liegt. Ich bin Babysitter, ihre Mutter kommt gleich wieder und holt sie…«
    Moreno setzte sich auf den niedrigen Tresen.
    »Gute Güte«, sagte sie. »Ich hatte ja keine Ahnung. Und sonst auch

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