Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
mit ihm zusammen zu sein.«
»In dem Zug, der ihn überfahren hat?«
»Ja. Es war schrecklich. Er wollte mich auf dem Bahnhof treffen, und stattdessen…«
Seine Stimme zitterte. Er zog ein Taschentuch aus der Tasche und putzte sich die Nase.
»Stattdessen landete er auf den Schienen?«, fragte Münster.
Mattias Kramer nickte und steckte das Taschentuch wieder ein. Dann sank er zusammen und stützte kurz den Kopf in die Hände. Streckte den Rücken und holte ein paar Mal tief Luft.
»Es war so schrecklich«, wiederholte er. »Ich bin aus dem Zug gestiegen. Ich saß in einem der letzten Wagen, und als ich auf den Bahnsteig kam und mich dem Wärterhäuschen näherte, da habe ich begriffen, dass gerade etwas passiert sein musste. Die Leute liefen schreiend herum und stießen sich gegenseitig… und eine Frau zog mich weinend am Ärmel und erzählte mir, was passiert war.«
»Wie haben Sie erfahren, dass ausgerechnet Tomas Gassel das Opfer war?«
»Das dauerte eine Weile. Zuerst habe ich ihn unter den vielen Menschen gesucht, er wollte mich ja abholen, und zum Schluss,… ja, zum Schluss habe ich ihn dann gesehen.«
»Sie haben ihn gesehen?«
»Ja, als sie ihn von den Schienen gehoben haben. Das, was von ihm noch übrig war. Oh mein Gott…«
Mattias Kramer zwinkerte ein paar Mal wie eine Eule in der Sonne, dann ließ er den Kopf wieder auf die Hände sinken, und Münster sah an seinen sich schüttelnden Schultern, dass er weinte.
Mein Gott, dachte er. Wie zum Teufel hat er das bloß ausgehalten?
Aber vielleicht mussten sich Leute mit bisexueller Veranlagung ja auf so einiges gefasst machen? Auch ohne Unglücksfall. Was übrigens nicht nur die Kategorie Mann betraf.
Er wartete, während Kramer sich wieder sammelte. Fragte, ob er immer noch keine Tasse Kaffee haben wollte, bekam aber nur ein Kopfschütteln zur Antwort.
»Was haben Sie dann gemacht?«
Kramer breitete die Arme aus.
»Was hätte ich machen sollen? Zuerst habe ich geglaubt, ich würde wahnsinnig werden, aber dann bin ich irgendwie abgestumpft. Ich habe mir ein Hotel gesucht und die Nacht dort verbracht. Habe kein Auge zugekriegt. Am nächsten Tag bin ich zurück nach Leerbach gefahren.«
»Und Sie haben nie daran gedacht, mit uns Verbindung aufzunehmen?«
»Natürlich habe ich das. Ich habe seit damals an nichts anderes gedacht. Diesen ganzen schrecklichen Herbst über.«
Münster dachte nach.
»Wie haben Sie sich kennen gelernt? Sie und Pastor Gassel, meine ich.«
Kramer presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, während er überlegte, was er antworten sollte.
»In einem Club«, sagte er. »Hier in Maardam. Es gibt spezielle Clubs für… für Menschen wie uns.«
Seine Stimme enthielt einen Hauch verzweifelten Stolzes, und Münster sah ihm an, dass er sich trotz allem etwas erleichtert fühlte. Dass der Besuch und sein Bericht ihm auf irgendeine Weise ein bisschen menschliche Würde zurückgegeben hatten. Aber es vergingen nur wenige Sekunden, bis er sich wieder an seine Lage erinnerte.
»Und was passiert jetzt?«, fragte er verkniffen.
»Was meinen Sie?«, entgegnete Münster.
»Ja… was werden Sie jetzt mit mir machen?«
»Wir werden sehen«, sagte Münster. »Zunächst noch ein paar Fragen. Hatten Sie, trotz Ihres Schocks, irgendwie eine Vorstellung, wie es dazu gekommen sein könnte, dass Ihr Freund auf den Gleisen gelandet ist?«
Kramer schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe keine Ahnung… aber ich habe gehört, was Sie da gestern im Fernsehen angedeutet haben. Das ist ja einfach schrecklich, kann es wirklich so gewesen sein?«
»Wir sind wirklich noch nicht sicher, ob es da einen Zusammenhang gibt«, betonte Münster. »Es ist nur eine von vielen Möglichkeiten.«
»Und welches sind die anderen?«
»Eigentlich nur noch zwei«, korrigierte Münster sich. »Dass er sich das Leben genommen hat. Oder dass er gestolpert ist.«
Kramer wurde eifrig. »Er hat sich nicht das Leben genommen, das hätte er niemals gemacht. Er wusste doch, dass ich in diesem Zug saß, er war ein rücksichtsvoller und starker Mensch, der niemals… ja, der niemals so etwas getan hätte.«
»Sind Sie sich da ganz sicher?«
»Hundert Prozent«, versicherte Mattias Kramer. »Ich bin die ganze Zeit davon ausgegangen, dass es ein Unglücksfall war… dass er gestolpert ist oder etwas in der Art.«
»Aber gestern sind Sie ins Grübeln gekommen?«
Kramer sah einen Moment lang ganz verwirrt aus.
»Ja… ja, das kann man wohl sagen. Aber
Weitere Kostenlose Bücher