Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
lieber dazu über, über die Einsamkeit nachzudenken.
Die Einsamkeit aller Menschen, aber die von Martina und Monica Kammerle im Besonderen. Sie musste groß gewesen sein, unerhört groß. Sie hatten da drinnen hinter diesen dunklen Fenstern gewohnt, und ihre Grenzen schienen nicht besonders weit von diesen engen drei Zimmern gesteckt gewesen zu sein. Vielleicht hatten sie ja einander gehabt, eine kranke Mutter und ihre isolierte Tochter. Keine Kontakte – außer zu einem Mann, der dafür sorgte, sie umzubringen, als er meinte, die Zeit wäre reif… es war einfach schrecklich, aber so war es nun einmal. Genauso. Gewissen Menschen wurden ihre Grenzen ziemlich eng gesteckt, dachte Münster. So eng, dass sie niemals eine reelle Chance hatten, die Richtung in ihrem Leben wirklich zu bestimmen.
Überhaupt nicht. Monica Kammerle war sechzehn Jahre alt geworden. Sechzehn! So alt würde sein Sohn Bart in zwei Jahren sein.
Der Gedanke wand sich wie ein kalter Wurm in seinem Kopf, und er erschauerte. Was war das für ein Monster, das ein sechzehnjähriges Mädchen auslöschte? Das ihr das Leben nicht gönnte. Sie tötete, ihr die Beine absägte und sie draußen in den Dünen am Meer begrub.
Ihr die Beine abzusägen!
Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Eine Wut, die ihm wie ein alter Bekannter erschien. Ein hoffnungsloser, trostloser Verwandter, der immer wieder vorbeischaute und ihm für alle Zeiten durch Blutsbande verbunden war. Wut und Machtlosigkeit überfielen ihn.
Und gab es denn überhaupt eine begreifbare Logik, die hinter dieser Art von Taten stand? Ein Muster, das es zu entdecken galt?
Doch, ja. Er wusste, dass das möglich war. Wenn man nur seinen eigenen Ekel überwand, es einem gelang, das persönliche Gefühl von Ohnmacht zu unterdrücken und sich ganz zu öffnen, dann konnte so manches ans Tageslicht gezogen werden.
Und was?, dachte er. Was ist es eigentlich, wonach ich suche? Das Bild eines Mörders? Ist es möglich, es in diesem Stadium zu erkennen? Blödsinn! Wir wissen doch überhaupt nichts!
Er stellte die Musik ab. Jetzt war es ein Klaviersolo. Musste eigentlich immer ein Klavier beim Jazz dabei sein? Dazu konnte man nicht nachdenken, dazu war es irgendwie zu leichtgewichtig. Wie ein dünner, blauer Rauchkringel. Er nahm sich vor, Reinhart danach zu befragen. Ob es auch Scheiben nur mit Blasinstrumenten gab. Oder Blasinstrumenten, Bass und Schlagzeug vielleicht?
Kommissar Münster schüttelte den Kopf. Er warf einen letzten Blick auf die dunklen, nichts sagenden Fenster und ließ den Motor an.
Langsam suchte er sich seinen Weg durch Stopekas enge Gassen. Es war höchste Zeit. Das Badminton-Match mit dem
Hauptkommissar
war auf halb sechs Uhr festgelegt.
Kriminalinspektorin Ewa Moreno hatte schon viele gute Mahlzeiten unten in Mikael Baus Küche zu sich genommen, aber diese Bouillabaisse übertraf alles Bisherige.
»Es ist das Salz, auf das es ankommt«, erklärte er, als sie fertig waren. »Alle Fischsuppen schmecken natürlich nach Salz, aber es gibt einen qualitativen und nicht nur quantitativen Aspekt beim Salz, den die meisten nicht bedenken.«
»Ja, wirklich?«, sagte Ewa Moreno.
»Ein schlechtes Salz tötet viele andere Geschmacksnuancen ab, ein gutes kann sie stattdessen noch unterstreichen… es ist das gleiche wie mit einem Schuss Zitrone… oder einem Schuss Angostura… oder einem halben Tropfen Tabasco…«
»Ist das wahr?«, Ewa Moreno lehnte sich zufrieden zurück. »Und wie hast du das mit dem Salz in diesem Gericht gemacht? Ehrlich gesagt war es mit das Beste, was ich je gegessen habe.«
Mikael Bau antwortete nicht. Er saß schweigend da und schaute sie eine Weile mit seinen warmen blauen Augen an. Dann räusperte er sich und schaute stattdessen an die Decke.
»Die Basis bilden natürlich die Hummerschalen, aber wenn du mich heiratest, dann kriegst du das ganze Rezept.«
»In Ordnung«, sagte Ewa Moreno.
Als sie wieder in ihrer eigenen Wohnung war, machte sie kein Licht an. Zog dafür den Sessel so heran, dass er zum Fenster zeigte, ließ sich auf ihm nieder und starrte den grauvioletten Himmel an.
Bin ich nicht mehr ganz gescheit?, fragte sie sich. Er hat tatsächlich um meine Hand angehalten, und ich habe tatsächlich ja gesagt.
Und der Grund war ein Rezept für das richtige Salz in einer Fischsuppe. Hummerschalen?
Mikael Bau hatte schon mehrmals um sie gefreit. Mehr oder weniger offensichtlich. Und sie hatte nie ja gesagt.
Aber jetzt hatte sie es getan. Sie
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