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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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diesem Dezemberabend im beginnenden reiferen Alter.
    Zehn Jahre?
    Das war ein Äon. Eine so enorme Zeitspanne, dass er sie nicht fassen konnte. Er konnte sich auch nicht den kürzesten Augenblick lang einbilden, 1991 der gleiche Mensch gewesen zu sein, der er jetzt war.
    Da gab es keine Kontinuität. Keinen ruhigen Fluss in seinem eigenen Leben, dem man von der klaren Quelle der Kindheit über die flache Landschaft des Lebens bis zur Mündung im Meer in der Dämmerung des Alters hätte folgen können.
    Wie er es sich vorgestellt hatte, als er vor ein paar Tagen Auden gelesen hatte… W. H. Auden, einen seiner Lieblingsautoren, aber davon gab es viele… eigentlich konnte er nur bei den Lyrikern sich selbst und die Tonart seines eigenen Lebens wiederfinden. Inzwischen jedenfalls.
    Eine Verschiebung hatte stattgefunden, und die Sinnlosigkeit – seine persönliche und die aller anderen – hatte seine innere Wüste über alle ausgetrockneten Furchen ausgedehnt, seine persönlichen und die der anderen, oh ja, er hatte versucht, Gedichte darüber zu schreiben, es aber aufgegeben, die Leere brauchte keine Worte. Keine Gebärden.
    Der Tod tut uns den größten aller Dienste, hatte er stattdessen formuliert. Aber sein Handlanger zu sein, das ist weder edel noch böse. Nur genauso inhaltslos.
    Er schlief jetzt nachts besser. Konnte sich seit Wochen nicht mehr an irgendwelche Träume erinnern, außer an diesen Erinnerungszipfel, der in regelmäßigem Abstand immer wieder auftauchte. Ob er nun wach war oder schlief, war eigentlich gleich… mein erster Mord, dachte er… der liegt so nahe an der Quelle, aber nicht ich war es, der da Regie führte, sondern sie… sie plante und setzte alles in Szene. Das brennende Haus an dem nasskalten Februarmorgen, ihre noch kältere Hand, die seine umklammert, während er da draußen auf der nassen Stadtstraße zwischen all den Nachbarn steht, es riecht trotz des Feuers nach feuchter Erde und Kälte, und sie sehen, wie die Flammen ihr Heim und Vater verzehren… Merkwürdig, dass die Luft und auch ihre Hand so kalt sein können, wo das Feuer doch so heiß sein muss…
    Wenn dir jemand etwas Böses tut, entferne ihn!, hatte sie gesagt und ihn auf den Mund geküsst. Genau diese sonderbaren Worte, und am Abend hatte er in ihrem Bett schlafen dürfen in diesem Pensionszimmer, in dem sie die erste Zeit danach hatten wohnen müssen… Entferne ihn.
    Oder sie. Er spürte, dass er sich wieder nach der griechischen Insel sehnte, nach einer Art Heimkehr, schob diesen Gedanken aber von sich. Drückte stattdessen einen neuen Klecks gelber Salbe auf die Fingerspitzen und massierte sie vorsichtig in die Wunden ein. Sie schmerzten bei der geringsten Berührung, aber waren dennoch inzwischen besser zu ertragen als am Anfang. In den ersten Tagen, ganz zu schweigen von den ersten Stunden. So nah am Kern des Schmerzes und des Wahnsinns war er noch nie zuvor gewesen… nie zuvor so nahe.
    Er blätterte weiter auf Seite zwölf und vertiefte sich in die Spekulationen.
    Die Polizei hatte zumindest den Abend bei Keefer’s eingekreist, aber das war im Großen und Ganzen auch alles. Man wusste, dass Ester Peerenkaas am achten Dezember einen unbekannten Mann getroffen hatte und dass dieser Mann möglicherweise etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte.
    Man war interessiert daran, in Kontakt mit ihm zu treten, und es wurde der Aufruf an alle gerichtet, die das Restaurant an dem betreffenden Abend besucht hatten, sich umgehend mit der Maardamer Kriminalpolizei in Verbindung zu setzen.
    Oder mit der nächstgelegenen Polizeidienststelle.
    Er schaute sich das Datum oben auf der Zeitungsseite an und rechnete im Kopf zurück. Der Zeitabstand betrug vierundfünfzig Tage.
    Acht Wochen ungefähr.
    Es waren acht Wochen vergangen, seit ein eventueller Gast sie zusammen an diesem versteckten Tisch hinter einem der Spaliere im Keefer’s gesehen haben könnte. Andererseits nicht mehr als zweieinhalb Wochen seit dem »Verschwinden«, aber für das Treffen, das dem vorausgegangen war, gab es keine Zuschauer. Keine potenziellen Zeugen. Nur sie und ihn.
    Er lachte kurz auf, es spannte an der Wange und am Hals.
    Und keine Verbindung zu den anderen.
    Nicht die geringste Andeutung, dass die Morde im September – oder der an der Hure in Wallburg im letzten Sommer – etwas mit dieser vulgären Ester Peerenkaas zu tun haben könnten.
    Dilettanten, dachte er müde, und eine Art kalter Befriedigung überkam ihn. Ein Genuss, der sicher

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