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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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ausschließlich seine ruhigen, gleichförmigen Atemzüge und der Regen zu hören waren, der aufs Fensterblech trommelte. Als er anschließend wieder zu sprechen begann, dachte sie einen verwirrten Augenblick lang, es handle sich um jemand vollkommen anderen. Dass er es gar nicht wäre.
    »Es ist mir scheißegal, ob du willst oder nicht, du verfluchtes Hurenkind«, sagte er. »Jetzt hast du die Güte und fickst mit mir, sonst sorge ich dafür, dass deine verdammte Mutter für den Rest ihres Lebens im Krankenhaus liegt.«
    Das gab er in fast normalem Gesprächston von sich, und zunächst glaubte sie, sich verhört zu haben. Dann begriff sie, dass er haargenau das meinte, was er sagte. Mit einem Arm hielt er sie um Rücken und Schultern fest, die andere Hand presste er auf ihren Schoß. Zum ersten Mal begriff sie auch, wie stark er eigentlich war und wie unendlich wenig sie ihm entgegenzusetzen hatte, wenn er ihr seinen Willen aufzwingen wollte.
    »Hast du kapiert, du Fotze? Zieh dich aus!«
    Ihr wurde schwarz vor Augen, sie hatte immer geglaubt, so etwas passiere nur in schlechten Büchern und alten Mädchenzeitschriften, aber jetzt musste sie es selbst erleben. Es wur-de wirklich schwarz. Die kleine Kerzenflamme flackerte und verschwand so plötzlich, als hätte sie jemand ausgepustet, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie wieder angezündet war.
    Hilfe, dachte sie. Gott. Mama…
    Er zog sie härter an sich heran und küsste sie. Zwang ihre Kiefer auseinander und schob seine Zunge so weit in ihren Mund, dass sie fast keine Luft mehr bekam.
    Dann ließ er sie los.
    »Oder möchtest du es etwas sanfter haben?«
    Sie keuchte und versuchte, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Nur einen einzigen.
    »Ja«, sagte sie. »Ja, bitte.«
    Der Gedanke kam. Langsam wie ein Dieb in der Nacht. Ich muss ihn umbringen, sagte er. Irgendwie. Umbringen.
    »Zieh deine Tunika aus«, sagte er.
    Sie tat es.
    »Und den BH.«
    Sie beugte sich auf dem Sofa nach vorn und knüpfte die Haken hinterm Rücken auf. Aber er interessierte sich nicht für ihre Brust. Stand stattdessen auf und stellte sich hinter sie. Schob ihr Haar zur Seite und legte ihr die Hände auf die nackten Schultern. Sie spürte, wie sie erstarrte.
    »Du verkrampfst dich«, sagte er und tastete mit den Fingern die scharfen Ränder des Schlüsselbeins entlang, schob sie näher zum Hals hin. »Meine Fingerspitzen sind kleine Seismographen. Ich kann fast deine Gedanken ertasten… My sick rose. My sick, sick rose…«
    »Ich muss mal pinkeln«, sagte sie. »Wo ist die Toilette?«
    »Pinkeln?«
    »Ja.«
    »Ich zeige sie dir«, sagte er.
    Sie stand auf. Er ließ seine Finger auf ihren Schultern liegen und folgte ihr auf den Flur, als ginge es um irgend so eine idiotische Polonäse.
    Muss ihn umbringen, sang es in ihr. Muss eine Möglichkeit finden…
    »Wie Seismographen…«, wiederholte er.

London,
    August 1998

7
    Zunächst waren es die beiden.
    Beide in den Dreißigern. Beide fröhlich und etwas beschwipst nach einem Kinobesuch am Leicester Square und einem Restaurantbesuch zu zweit. Sie wohnten beide in Camden Town, das Pub lag genau auf halbem Weg von der Oxford Street, es war nicht das erste Mal, dass sie auf dem Heimweg hier einkehrten.
    Er selbst war im alten Garrick im Theater gewesen – in einem dieser unbegreiflich seichten und nichts sagenden West-End-Erfolgsstücken, die eine Touristensaison nach der anderen vor vollem Haus liefen. Glücklicherweise hatte es eine Pause gegeben, in der er sich fortgestohlen hatte, und danach war er auf dem Weg zu seinem Hotel am Regent’s Park in drei Pubs gewesen. Dieses hier war das vierte.
    The Green Stallion.
Die Uhr zeigte schon nach elf, aber offensichtlich war das hier einer der Orte, die sich nicht länger an die alten Schankvorschriften hielten. Er hatte gerade einen neuen Lauder’s und ein Pint bekommen, als sie hereinkamen und fragten, ob die Stühle an seinem Tisch noch frei seien. Ansonsten war es an dem langen Tresen und an allen Tischen voll und gedrängt. Soweit er sehen konnte, gab es außer den beiden Stühlen bei ihm keine anderen freien mehr. So war es nun einmal – er breitete lächelnd die Arme aus.
    Die Frauen erwiderten sein Lächeln und setzten sich. Zündeten jede eine Zigarette an und stellten sich vor. Beth und Svetlana. Offenbar in Redelaune.
    Svetlana war Russin, aber in Luton geboren. Ihre Eltern hatten sich während des Tauwetters der frühen Sechziger auf verschlungenen Wegen aus der alten

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