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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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sie sich zum Gespräch zusammensetzten. Sie hätte in der Nacht fast kein Auge zugetan, und außerdem hatten sie ja den ganzen Vormittag.
    Moreno strich das 11-Uhr-Flugzeug aus dem Terminkalender der frommen Hoffnungen und versicherte, dass es absolut nicht eilte. Setzte sich mit einer weiteren Tasse Tee und der lokalen Morgenzeitung, die Kurijr hieß, an den halb abgedeckten Küchentisch. Blätterte unkonzentriert in der Zeitung und überlegte, genau wie schon im Flugzeug, welche Übereinstimmungen es zwischen Barbara Traut und ihr selbst wohl geben könnte.
    Oder welche Übereinstimmung genauer gesagt. In Gedanken an das wenige, was sie von Frau Traut bisher gesehen hatte, hoffte sie, dass es nicht mehr als den einen Punkt gab.
    Der Verlust einer Schwester.
    Was sie selbst betraf, so hatte Inspektorin Moreno zwar keine Schwester verloren – nicht in der schockierenden Bedeutung wie ihre Gastgeberin zumindest. Aber es war mehr als drei Jahre her, dass sie überhaupt ein Lebenszeichen von Maud erhalten hatte, und es gab genügend Gründe, sich auszurechnen, dass sie bei dem Spiel nicht mehr dabei war. So oder so. Gute Gründe. Nein, keine guten. Schreckliche Gründe. Die Entwurzelung. Drogen. Permanenter Geldmangel mit sich daraus ergebender Prostitution – sowie sozusagen schräge und zusammenstürzende Familienverhältnisse, die höchstwahrscheinlich der Grund für alles waren und an die sie lieber gar nicht denken wollte –, all diese trostlosen Faktoren, die auf irgendeine Weise durch die Generationen hindurch wirken und die Maud unerbittlich in den kalten, Menschen verzehrenden Sumpf des ausgehenden 20. Jahrhunderts hineingezogen hatten. So war es nun einmal. Vielleicht war sie in irgendeiner der Großstädte noch immer an einer Art Leben, dort, wo ständig nach Beute gesucht wurde, wo Raubbau an kaputten Menschen ohne Schutznetz betrieben wurde. In einer Gesellschaftsmaschinerie, die niemand mehr pflegte und die zu ölen auch keiner mehr ein Interesse hatte.
    Wie sie es einmal irgendwo gelesen hatte.
    Oder aber sie ist auch tot, dachte Ewa Moreno. Verschwunden auf diese anonyme, nicht identifizierbare Art, wie Menschen, junge Menschen, einfach von der ethnographischen Karte des neuen Europa ausradiert werden. Als Opfer, ein Opfer der postmodernen Zeit.
    Ohne irgendetwas von sich zurückzulassen.
    Lebensabdrücke, so beständig wie Fußspuren im Wasser.
    Ja, sicher ist Maud für alle Zeiten verloren, stellte sie mit der gleichen nüchternen Bitterkeit fest wie immer. Tot oder lebendig begraben. Da war nichts mehr zu machen. Die erwachsene Ausgabe der lustigen, lebensfrohen Zwölf-, Dreizehnjährigen, die sie als kleine Schwester gehabt hatte, als sie selbst von zu Hause ausgezogen war, existierte ganz einfach nicht mehr. Ewa Moreno hatte das schon vor mehreren Jahren einsehen müssen – dass sie jetzt daran dachte, hatte gewiss nur etwas mit dieser Parallele zu tun. Die eben für heute auf der Tagesordnung stand. Barbara Traut und Martina Kammerle.
    Und mit der käsigen Glanzlosigkeit des Novembermorgens. Sie erinnerte sich an etwas, das Van Veeteren vor einigen Jahren einmal gesagt hatte.
    Wir müssen uns leider dessen bewusst sein, hatte er behauptet, dass zu viele Menschen ihr Leben bereits lange vor ihrem Tod beenden.
    Also hieß es nur ein weiteres Mal, sich der dunklen Weisheit des
Hauptkommissars
zu beugen. Und natürlich sprach so einiges dafür, dass Barbara Trauts Schwester auch in diese Kategorie gehörte. Zu denen, die nicht viel von ihrem Leben hatten, bis sie es verloren und über die Grenze befördert wurden.
    Zumindest wenn man den spärlichen Informationen Glauben schenken wollte, die bisher zu Tage getreten waren.
    Aber warum jemand ihr dabei auf so deutliche Weise auf die Sprünge helfen musste, das war natürlich eine andere Frage. Sie ermorden. Welchen Grund konnte jemand gehabt haben, Martina Kammerle aus dem Weg zu räumen?
    Und was war mit ihrer Tochter geschehen?
    Gute Fragen, dachte Inspektorin Moreno und trank ein wenig von dem lauwarmen Tee. Nicht schlecht.
    Und sie saß logischerweise in dieser überladenen Küche der Familie Traut herum und wartete darauf, dass das Duschen ein Ende haben würde, um eine Antwort auf sie zu bekommen.
    »Martina und ich haben uns nie vertragen«, erklärte Barbara Traut und putzte sich die Nase. »Das gebe ich am besten gleich zu, auch wenn es zu so einem Zeitpunkt ganz schrecklich klingt.«
    Sie war eine gewichtige Frau mit einem gewissen Ausdruck

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