Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
zu Hause. Achtet sicher auf das eine oder andere. Ihr Mann ist übrigens Serbe, sie selbst Kroatin. Er soll sich laut ihrer Aussage irgendwo unten auf dem Balkan befinden, aber sie hat seit fünf Jahren nichts mehr von ihm gehört.«
»Toll«, sagte Rooth.
»Ja. Sie haben auch eine Tochter. Die hat ihren Papa das letzte Mal gesehen, als sie acht war, inzwischen ist sie sechzehn. Martina Kammerle hatte auch eine Tochter. Ungefähr gleich alt wie die von Frau Paraskevi, möchte nur wissen, wo die sich herumtreibt. Offenbar hat sie sich seit ungefähr einem Monat nicht mehr blicken lassen.«
»Kann sie das nicht gewesen sein?«, schlug Rooth vor. »Hat ihre Mutter erwürgt und ist dann abgehauen?«
Jung verzog das Gesicht.
»Klingt nach starkem Tobak, aber was weiß ich. Jedenfalls muss es ja wohl mehr Betroffene geben. Verwandte, Freunde, in der Richtung. Und Feinde. Die Frau Paraskevi hat erzählt, dass die Frau Kammerle eine Zeit lang im August und September einen Bekannten hatte. Sie hat ihn nie gesehen, hat sie aber miteinander reden gehört.«
»Eine Herrenbekanntschaft?«, sagte Rooth. »Dann gab es also keine etwas festere Verbindung?«
»Keine Ahnung«, sagte Jung. »Jedenfalls nicht nach dem, was ich bis jetzt herausbekommen habe. Und haben deine Gespräche etwas ergeben?«
»Höchstens etwas Sodbrennen«, stellte Rooth resigniert fest. »Ich sollte aufpassen, dass ich so spät abends keinen Kaffee mehr trinke. Nein, sieht so aus, als hätte niemand eine Ahnung. Keiner von den Leuten, mit denen ich geredet habe, konnte überhaupt mit Gewissheit sagen, wie sie eigentlich hieß. Die Leiche, meine ich. Obwohl sie hier doch seit… ja, wie lange hat sie hier eigentlich gewohnt? Zwei Jahre?«
»Eineinhalb, glaube ich«, sagte Jung.
»Aber ich denke, dieser Traut wird so einiges klären können. Es erscheint mir ziemlich sinnlos, hier herumzuspringen und die Leute zu nerven, wenn wir nicht die Spur eines Hintergrunds haben. Wir wissen doch bis jetzt nichts außer ihrem Namen. Zumindest nicht viel mehr.«
»Stimmt«, sagte Jung. »Und was sollen wir jetzt deiner Ansicht nach tun?«
»Nach Hause fahren und ins Bett gehen«, antwortete Rooth, nachdem er eine Zehntelsekunde nachgedacht hatte. »Wir rennen hier morgen bestimmt den ganzen Tag im Viertel herum, ich glaube kaum, dass wir da in der Zwischenzeit etwas verpassen.«
Inspektor Jung stellte fest, dass er diesmal ausnahmsweise mit seinem Kollegen einer Meinung war, und nachdem er seine Blase in einer gut geschützten Ecke des Hofs von Kaffee, Tee und noch mehr Kaffee – sowie einem winzig kleinen Gläschen Pflaumenschnaps, auf dem Frau Paraskevi bestanden hatte – geleert hatte, gingen sie zum Auto.
»Entschuldigen Sie, dass Sie haben warten müssen«, sagte Reinhart. »Aber Sie werden sicher verstehen, dass wir bei einer Sache wie dieser einiges zu erledigen haben.«
»Das macht nichts«, versicherte Egon Traut entgegenkommend. »Ich habe meine Frau angerufen und ihr gesagt, dass ich erst morgen nach Hause komme.«
Er klopfte auf die Brusttasche seines Jacketts, aus der der oberste Teil eines Handys herausragte. Münster und Reinhart setzten sich ihm gegenüber an den Tisch, und Reinhart zündete seine Pfeife an.
»Sie ist ziemlich aufgewühlt, meine Frau«, fuhr Traut fort. »Aber das kann man ja verstehen. Sie standen sich zwar nicht besonders nahe, aber eine Schwester ist eine Schwester.«
»Gibt es noch weitere Geschwister?«, wollte Münster wissen.
»Gab es«, erklärte Traut. »Einen Bruder. Er ist gestorben… hat sich das Leben genommen, wenn man ehrlich sein soll.«
»Es gibt in der jetzigen Situation jeden Grund, ehrlich zu sein«, betonte Reinhart. »Ihre Schwägerin ist brutal ermordet worden, daran herrscht kein Zweifel, und wir wollen den Täter fassen.«
»Natürlich, selbstverständlich«, beeilte sich Egon Traut zu beteuern. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann…«
Er beendete seinen Satz nicht. Drehte stattdessen die Handflächen zur Decke in einer Geste, die offenbar dazu gedacht war, sein reines Herz zu illustrieren. Münster betrachtete ihn mit einem Gefühl leichten Ekels. Vermutlich war Traut ungefähr so alt wie er, um die fünfundvierzig, aber er sah schwer und schlaff aus. Die Jahre hatten an ihm gezehrt, doch kaum in Form von Arbeit und Mühsal, diagnostizierte Münster. Eher durch Wollust. Nichtstun. Sahnesoßen und starke Grogs. Und ein Minimum an Bewegung. Das rattenfarbene Haar war dünn und glanzlos und
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