Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
mich holen, wenn mir nur ein einziger Mensch einfällt.«
Eine gute Stunde nachdem Inspektorin Moreno die Trautsche Villa in Chadow verlassen hatte, wäre sie fast überfahren worden.
Eine blasse Sonne hatte sich langsam durch die Wolkendecke gearbeitet, die Nebel waren aufgestiegen, und sie beschloss, zu Fuß zum Flugplatz zurückzugehen. Der lag zwar einige Kilometer außerhalb der Stadt, aber sie hatte gut und gern zwei Stunden totzuschlagen.
Der letzte Kilometer führte über eine reichlich frequentierte Straße, die nur einen schmalen Streifen für Radfahrer und Fußgänger freiließ, und da geschah es. Ein Motorradfahrer fuhr plötzlich vor einen großen Lastzug, und Ewa Moreno konnte nur um Haaresbreite den Zusammenprall mit ihm vermeiden, indem sie in den Graben sprang.
Die einzige offensichtliche Folge des Beinaheunfalls war, dass sie nasse Füße hatte, aber sie war dabei deutlich an die dem Leben innewohnende Gebrechlichkeit erinnert worden, und als sie auf den bedeutend fußgängerfreundlicheren Weg zu dem kleinen Flughafen einbog, fühlte sie eine große Sehnsucht nach Mikael Bau.
Eine starke, heftige Sehnsucht danach, dass er seine Arme um sie schlänge und sie fest hielte, und sie versprach sich selbst, ihn anzurufen, sobald sie an diesem Abend zu Hause war.
Das Gefühl der Verletzbarkeit und Schwäche hatte natürlich sowohl etwas mit den Nasennebenhöhlen als auch mit dem Gespräch mit Barbara Traut zu tun, das war ihr schon klar.
Und mit der ermordeten Martina Kammerle, deren Leben und Tod auf eine Weise sonderbar leichtgewichtig erschienen. Es war nicht möglich, diesen Eindruck einfach abzuschütteln… als wäre das brutale Ende dieser armen Frau nur eine Art grotesk übertriebenes Ausrufungszeichen hinter einer vollkommen inhaltslosen und nichts sagenden Behauptung.
Als Ewa Moreno ins Gymnasium ging – also ungefähr im gleichen Alter war wie die verschwundene Tochter der ermordeten Frau – hatte sie zwei Motti auf einem Zettel über ihrem Bett hängen:
Alles Schlechte im Leben schaffst du dir selbst.
Nichts verkehrter als alle Reue über Vergangenes.
Der zweite Satz war von Nietzsche, das wusste sie. Woher der erste stammte, dessen war sie sich nicht sicher, aber er hatte eine ausgleichende Funktion. Jetzt im Augenblick, während sie in dem fast weißen Sonnenschein auf dem Weg zu Chadows kleinem Flugplatz war, spürte sie, dass die Worte immer noch eine brennende Aktualität besaßen.
So brennend, dass sie sich nicht traute, bis zum Abend zu warten, um Mikael Bau anzurufen. Sie machte es lieber gleich, sobald sie ins Flughafengebäude gekommen war.
Er war natürlich nicht zu Hause, aber sie hinterließ eine Nachricht: dass sie sich nach ihm sehnte und dass er etwas Leckeres kochen sollte, da sie die Absicht hatte, abends zum Essen zu ihm zu kommen.
Gegen neun Uhr oder so.
Nachdem sie das Telefon ausgeschaltet hatte, fühlte sie sich endlich wieder ein wenig lebendiger.
15
Es dauerte bis halb sieben Uhr am Montagabend, bis es möglich war, etwas auf die Beine zu stellen, was als eine Lagebesprechung im Fall Martina Kammerle angesehen werden konnte.
Aber – wie Reinhart gleich feststellte – schließlich hatte der Mörder reichlich Zeit gehabt, sich zu verbergen, da war es vielleicht nicht so eilig, wie gewisse stressgeplagte Nachrichtenheinis meinten. Man hatte um drei Uhr über die üblichen Kanäle eine Pressemitteilung hinausgeschickt, aber gleichzeitig erklärt, dass eine Pressekonferenz nicht vor frühestens Dienstagnachmittag zu erwarten war.
Ein junger und offenbar unausgeglichener Reporter vom Telegraaf hatte aus diesem Grund Reinhart als heimlichen Schwulen bezeichnet, worauf Reinhart ihn gefragt hatte, ob er in der Quote für kopflosen Spargel in die Journalistenausbildung gekommen sei.
So war nun einmal die Beziehung zwischen dem Leiter der Maardamer Kriminalpolizei und der vierten Staatsmacht.
Außer Reinhart, Moreno und Münster waren bei der Besprechung noch Jung, Rooth und Krause anwesend – letzterer übrigens als frischernannter Kriminalinspektor –, also gab es, zumindest was die Anzahl der Leute betraf, in der Anfangsphase nichts zu bemängeln.
Aber davon abgesehen sah es nicht besonders rosig aus, was Reinhart gleich zu Anfang betonte.
»Wenn nicht in den nächsten Tagen ein reuiger Täter oder ein Kronzeuge auftaucht, müssen wir uns auf eine zähe Geschichte einstellen. Menschen, die einen Monat lang tot haben daliegen können, ohne entdeckt zu
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