Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
Schule gewechselt?«, fragte sie schließlich stattdessen.
»Nun ja«, sagte Betty Schaafens. »Sie kam wohl nicht so gut zurecht. Warum fragen Sie sie nicht selbst?«
Moreno gab keine Antwort.
»Habt ihr ihre Mutter mal getroffen?«
Aus ihrer lahmen Reaktion zu schließen, war die Neuigkeit von Martina Kammerles Tod noch nicht bis zu ihnen vorgedrungen. Sie reagierten wieder mit Kopfschütteln, und Edwina Boekman erklärte, dass sie nie auch nur den Schatten irgendwelcher Eltern von Monica Kammerle gesehen hätten. Aber sie hatten gehört, dass andere über Monicas Mutter erzählten, sie wäre ein wenig gaga. Ja, sogar reichlich gaga. Nicht einmal auf dem Elternabend vor der Klassenreise in der Neunten war sie dabei… aber das war ja eigentlich auch kein Wunder, warf Betty Schaafens ein, denn Monica sei ja sowieso nicht mitgefahren.
»Wohin seid ihr gefahren?«, wollte Moreno wissen.
Die Mädchen erzählten wie aus einem Munde, dass sie eine Woche lang in London gewesen seien und dass es dort affengeil gewesen sei, einfach super. Die ganze Klasse war mitgefahren, außer Monica und einem wahnsinnig fetten Jungen, der Dimitri hieß.
»Wahnsinnig fett«, bestätigte Betty Schaafens und zündete sich eine neue Zigarette an.
Moreno hatte plötzlich große Lust, ihr die Zigarette aus den kräftig angemalten Lippen zu reißen, sie im Aschenbecher zu zerdrücken – die Zigarette wohlgemerkt, nicht den Mund – und sie wie auch ihre Freundin zu bitten, doch zur Hölle zu fahren. Oder zumindest abzuhauen und eine Runde joggen zu gehen.
Oder einen Apfel zu essen. Nein, dachte sie. Wenn ich diese Phase wirklich durchgemacht habe, dann muss ich sie verdrängt haben.
Und zwar nur zu Recht. Bestimmte Dinge muss man begraben dürfen.
»Was ist denn eigentlich passiert?«, wollte Edwina Boekman wissen. »Ist sie in was reingeschlittert?«
»Ich kann euch das nicht sagen«, erklärte Moreno erneut. »Aber wenn ihr jemanden trefft, der Monica in letzter Zeit gesehen hat, dann ruft mich bitte an. Und fragt bitte auch eure Klassenkameraden, wenn ihr Zeit dazu habt.«
Sie zog zwei Visitenkarten heraus und gab jeder eine. Die Mädchen nahmen sie entgegen, und plötzlich bekamen sie einen etwas ernsthafteren, reineren Ausdruck in ihre geschminkten Gesichter.
Als ob das Kind hervorschauen würde, dachte Moreno. Sie nahm an, dass es der kursiv gedruckte Titel auf der Karte war, der diese Veränderung verursacht hatte.
Kriminalinspektorin.
»Ja, natürlich«, sagte Betty Schaafens. »Wir… wir werden uns umhören. Ist das… ich meine, ist es was Ernstes? Was ist denn eigentlich… ?«
»Ich kann es euch nicht erzählen«, erklärte Moreno zum dritten Mal. »Danke für das Gespräch, vielleicht lasse ich in ein paar Tagen noch einmal von mir hören.«
»Ja, genau«, sagte Edwina Boekman.
Inspektorin Moreno stand auf und verließ das Café Lamprecht. Keines der beiden Mädchen machte Miene, wieder in die Schule zurückzugehen, und als sie auf die Straße gekommen war, konnte Moreno durch das schmutzige Schaufenster sehen, wie ihre schwarzen Schöpfe eng über dem Tisch zusammengerückt waren. Eingehüllt in eine neue, frische Rauchwolke von neu angezündeten Zigaretten.
Sie werden noch vor zwanzig Zellulitis und Hängebusen haben, dachte sie und holte tief Luft. Und das ist nicht mehr als recht und billig.
»Ich weiß, was das Schlimmste an diesem verdammten Job ist«, sagte Rooth.
»Ach, wirklich?«, fragte Jung. »Lass hören.«
»Das mit dem Leben und dem Tod«, sagte Rooth. »Das wiegt so schwer, dass man damit irgendwie gar nicht umgehen kann. Eigentlich müsste man die ganze Zeit schrecklich ernst, tiefsinnig und finster sein… und das schafft mein jämmerlicher Kopf einfach nicht… .«
»Ich weiß«, bestätigte Jung. »Und weiter?«
»Unterbrich mich nicht«, sagte Rooth. »Oder aber man muss alles von sich schieben und auf Distanz gehen. Zynisch werden oder wie immer man das nun nennen will… und das schafft mein großes blutendes Herz auf die Dauer nicht. Verstehst du, wovon ich rede?«
Jung dachte eine Weile nach.
»Ja, natürlich«, sagte er. »Es stimmt tatsächlich, was du sagst. Man wird von einem Extrem ins andere geworfen. Starrt dem Tod ins Auge oder kickt ihn mit einem Fußtritt aus dem Spiel… darum geht es.«
Rooth kratzte sich am Kopf.
»Gut gesagt«, meinte er. »Auge oder Fußtritt? Das werde ich mir als Titel meiner verrückten Memoiren merken. Möchte nur wissen, ob man vorzeitig
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