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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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hätte verstanden, warum diese Frauen sterben mussten, sie und niemand sonst; die betteln doch darum, im Grunde wünschen sie sich tief in ihrem Herzen diesen Ausweg, und genau gesehen tue ich ihnen einen Gefallen… es gibt Menschen, die wortlos und ohne nachzudenken existieren, die ins Nichts versinken wollen…
    Plötzlich spürte er den Gegensatz. Ein Rausch der Freude und Begeisterung schoss in ihm empor – eine warme Kaskade von Lebenslust und Rausch, die sich wie ein Regenbogen von den Fußballen bis hoch in die Haarwurzeln ausbreitete, und die Erektion, die folgte, hatte eine fast elektrische Hitze in sich. Sie ließ ihn auf den Flur laufen, zur Toilette, wo er sich ihr auf die einzige Weise widmete, die möglich war.
    Hinterher blieb er noch eine ganze Weile auf der Toilettenbrille sitzen, und das Gefühl, unter einem mächtigen Schutz und einem guten Stern zu stehen, hielt mit unverminderter Stärke an.
    Nichts hat etwas zu bedeuten, dachte er. Gerade deshalb bedeutet jedes unbedeutende Detail alles. Ich bin die Welt, und die Welt ist in mir. Nein, die Welt ist eine Frau. Die Identität und das Machtzentrum einer Frau ist ihr Körper, der lächerliche Nabel der Welt ist der Körper einer Frau, und niemand darf diese Welt verleugnen. Schon gar nicht sie selbst. So einfach ist das, so verdammt verzwickt einfach, und es ist nicht gefährlicher zu sterben, als sein eigenes Gesicht im Spiegel zu sehen.
    Jemand stellte das Kopiergerät hinten im Flur an, und das Geräusch führte ihn wieder zur linken Gehirnhälfte. Offensichtlich war er doch nicht allein im Gebäude. Und noch einmal erlebte er diese physische Bewegung im Kopf. Die andere Wirklichkeit. Links-rechts.
    Er spülte. Stand auf und spürte wie immer einen leichten Muskelkrampf dort, wo die Schere eingedrungen war. Einen stechenden Schmerz und eine Erinnerung.
    Ich sollte eine Weile eine ruhigere Kugel schieben, dachte er. Müsste ich eigentlich.
    Aber das war nicht ohne weiteres möglich. Etwas hatte sich nach der Episode mit den Frauen Kammerle an diesem dunklen Sog verändert. Er lag jetzt näher an der Oberfläche. Er hatte eine Grenze oder einen Grat überschritten. Die Intervalle mussten in Zukunft kürzer sein, er konnte nicht mehr beliebig lange ohne die Haut einer Frau unter seinen Fingerspitzen sein.
    Und höchstwahrscheinlich, das musste er zugeben, als er wieder hinter seinem Schreibtisch saß, höchstwahrscheinlich waren es gerade die fremden Worte und Bilder, die unverblümte Schilderung der Wirklichkeit in den Zeitungen, die ihn wieder in Unruhe versetzt hatten.
    In Unruhe und Bewegung.
    Draußen im Park setzte die Dämmerung ein. Der rote Sternwartenhintergrund war schwarz geworden.
    Ich mochte die Achselhöhlen des Mädchens, dachte er. Ich wünschte, es wäre möglich gewesen, sie zu erhalten.
    Er seufzte und beschloss, für diesen Tag nach Hause zu gehen.

Maardam,
    Dezember 2000

24
    Wenn es um Männer ging, war Anna Kristeva Quartalstäterin.
    Nach einer frühen, kinderlosen und quälenden Ehe – sowie zwei oder drei so genannten ernsthaften Beziehungen – war sie zu dem Schluss gekommen, dass das die beste Lösung war.
    Die Lösung eines Problems, das leider bestand, wie sehr sie sich auch gewünscht hätte, dass es nicht so wäre. Kerle waren notwendig, so war es nun einmal. Der eine oder andere. Ab und zu, aber nicht in zu großen Portionen und nicht die ganze Zeit.
    Und was das Wichtigste war: Es war nichts, was wirklich ernst genommen werden sollte. Sie durfte sich nicht zu sehr engagieren oder in die Tiefe gehen, genau auf diese Weise hatte sie sich zwischen zwanzig und dreißig die Finger verbrannt.
    Jetzt war sie fünfunddreißig. Eine freie Frau mit Kontrolle über ihr Leben und einem entsprechend hohen Einkommen, um niemals einen Kerl für ihre Versorgung zu brauchen. Sie würde nie in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. Seit gut zwei Jahren war sie Teilhaberin der Anwaltskanzlei, in der sie seit ihrem Examen gearbeitet hatte und die überdies seit den dreißiger Jahren auch ihren Namen trug.
Booms, Booms & Kristev.
Der Besitz selbst war der Familie zwar für eine gewisse Zeit aus den Händen geglitten – ihr Großvater, Anton Kristev, war zusammen mit dem Brüderpaar Booms einer der Gründer der Firma gewesen, aber Annas Vater, die folgende Generation, war leider ein Kind seiner Zeit gewesen. Er befreundete sich allzu intensiv mit den glücklosen Literaten der vierziger Jahre, und Anfang der Siebziger verkaufte er

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