Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
bestätigt. Man hat mich gesehen, wie ich bin. Von Neuem versuchte er, sich den müden, aber unverwandten Blick seiner Mutter im Krankenbett in Erinnerung zu rufen, aber sie wich ihm aus. So verlor er sich in einer Welle späterer Bilder, späterer Frauen, späterer nackter Körper, Gesichter und Augen, die sich von ihm abwandten.
Und das war das, was alles beherrschte – diese Blicke, die auszuweichen versuchten. Sie zerstören meine Kraft, dachte er. Meine Kraft und meine Liebe. Was denken die sich eigentlich? Es ist mein vollstes Recht, jede Einzelne von ihnen zu töten, sie alle, die mich früher oder später abweisen… ihre schwachen Lebenslichter in diesen erkaltenden, ekligen Fleischklumpen auszublasen, und niemand wird mich jemals verstehen, es gibt einen privaten, einzigartigen Abgrund in jedem Menschen, und niemand hat den selben wie ich. Kein anderer, der Mensch ist ein äußerst hungriges, äußerst einsames Tier. Aber wir haben alle die gleichen grundlegenden Rechte.
Man darf nicht vergessen, dass wir die Geschöpfe eines ziemlich ironischen Gottes sind.
Und wir sollten lieber darüber lachen. Er stellte fest, dass er genau das tat. Er lachte.
Es klopfte an der Tür, und Frau Keerenwert steckte ihren Kopf herein.
»Ist noch was, bevor ich nach Hause gehe?«
Er schaute die Papiere durch, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet lagen.
»Nein, alles in Ordnung. Und einen schönen Abend. Bis morgen.«
»Morgen ist Samstag.«
»Ach so, ja, na dann ein schönes Wochenende.«
»Danke gleichfalls«, sagte sie und verschwand.
Er blieb sitzen und betrachtete die geschlossene Tür, auf der der Stundenplan mit den verschiedenen Semesterkursen hing. Frau Keerenwerts Auftauchen hatte ihn ernüchtert. Zweifellos. Ein hastiges Verschieben des Fokus von der rechten zur linken Hirnhälfte.
Von dem weiblichen Dunklen und Geheimnisvollen zu dem Klaren und Analytischen, er konnte fast eine rein physische Bewegung in seinem Kopf spüren, als der Wandel vor sich ging. Vielleicht war es ein Wandel zum Guten hin. Denn im Augenblick war es nicht die Tiefe, die angesagt war, nicht die dumpfen, saugenden Wahrheiten, sondern das rein Äußerliche. Distanz und Perspektive.
Glück, dachte er. Ich habe mehr Glück gehabt als Verstand.
Daran gab es keinen Zweifel. Mit einem Minimum an Planung war er aus dieser Dreiecksgeschichte herausgekommen. Drei Menschen der Reihe nach zu töten, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Zumindest nicht, wenn er die Zeitungsinformationen richtig deutete. Da war nichts, nicht ein kleiner Faden, den die Polizei aufgreifen konnte. Man hatte jetzt seit mehr als einer Woche über Martina berichtet, und seit heute auch über Monica. Es musste ein besonderer Zufall sein, dass man die Leichen mit so geringem zeitlichen Abstand entdeckt hatte. Zuerst ein Monat lang Warten, und dann tauchten beide innerhalb von zehn, zwölf Tagen auf. Kurz versuchte er abzuschätzen, ob das nun zu seinem Vor- oder Nachteil war, kam aber zu keinem Ergebnis. Wahrscheinlich war es egal. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn dieser verfluchte Hund niemals Witterung von dem Mädchen aufgenommen hätte, aber das war natürlich zu viel verlangt. Dass sie für alle Ewigkeit unberührt dort liegen geblieben wäre. Er hatte wenig Zeit gehabt, als er sich ihrer entledigte. Das Vorhaben war riskant gewesen, selbst wenn er es mit seiner eigenen Elle maß, aber im Nachhinein gab es nichts, was er sich hätte vorwerfen müssen.
Irgendeine Verbindung zu diesem Teufelspfarrer war nirgends auch nur angedeutet worden. In keiner einzigen der Zeitungen, die er gelesen hatte. Und warum sollte auch jemand da eine Verbindung knüpfen?
Und natürlich auch keine Verbindung zu Kristine Kortsmaa. Soweit er verstand, ging die Polizei von der These aus, dass Martina Kammerle und ihre Tochter von einer zufälligen Herrenbekanntschaft der Mutter umgebracht worden waren, aber was hinter allem steckte, davon hatte man offensichtlich keine Ahnung. Und nicht einmal eine Andeutung hinsichtlich des Motivs.
Aus dem simplen Grund, dass man nichts wusste. Dass es gar kein Motiv gab, das jemand hätte begreifen können. Er lachte wieder hastig auf und schaute auf die Uhr. Halb fünf, Zeit, sich nach Hause zu begeben, vermutlich waren nicht mehr viele im Haus, schon gar nicht, wenn es wirklich Freitag war, wie Frau Keerenwert behauptet hatte. Sie war meistens eine der Letzten, die ihren Schreibtisch verließen.
Keiner wusste und keiner
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