Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
einem warmen, verheißungsvollen Freitag im Monat Mai 1997 hatten sie ihre erste Suchanzeige auf der Kontaktseite in der Allgemejne aufgegeben. Der Liebesmarkt war zwar bedeutend größer und reichhaltiger im Neuwe Blatt, aber gerade deshalb hatten sie sich für die Allgemejne entschieden. In dem Grad, in dem es Platz für ein wenig Stil und ein wenig Klasse auf diesem unerprobten Spielplan gab, war es natürlich wichtig, sich gewisser Qualitäten zu vergewissern. So viele man begehren konnte.
    Schriftliche Antwort erbeten. Alter, Lebenslauf und Foto. Vorlieben hinsichtlich Kunst, Musik und Literatur. Es gab keinen Grund, sich mit eingebildeten Analphabeten und schläfrigen Abenden zu Hause abzugeben. Ganz im Gegenteil, intellektuell, kultiviert und anregendes Beisammensein, darum ging es hier.
    Sowie eine eindeutige Klausel, dass hier auf keinen Fall der lebenslange Heiratsvertrag winkte. Sie hatten sich einige Mühe mit der Formulierung gemacht, aber als sie schließlich die richtigen Worte gefunden hatten, blieben sie dabei. Es war auch nirgendwo die Rede davon, dass sie zu zweit bei dem Spiel dabei waren, aber da Anna Kristeva und Ester Peerenkaas beide begabte, hochgebildete und offenherzige Frauen um die Fünfunddreißig waren, brauchte sich niemand hinters Licht geführt zu fühlen. Ganz und gar nicht.
    Der erste Versuch erbrachte sechzehn Zuschriften. Sie verbrachten einen ungemein anregenden Abend daheim bei Anna mit Käse und Wein, Zensurenverteilen, Aussondern und Lose ziehen – was schließlich in fünf Verabredungen endete (drei für Anna, zwei für Ester) und in einem insgesamt doch sehr ergiebigen Sommer. Ohne besonders viel faden Nachgeschmack für alle Beteiligten, weder für die Männchen noch für die Weibchen – abgesehen möglicherweise von einer übertrieben besitzbeanspruchenden betrogenen Arztehefrau, die nie so recht mit den Bedingungen einverstanden war.
    Die Methode funktionierte also. Jedenfalls war sie sehr viel zufriedenstellender als viele andere, und als Anna Kristeva an diesem Freitagnachmittag Anfang Dezember 2000 ins Büro der Allgemejne am Rejmer Plejn trat und einen neuen Schwung an Antwortbriefen von hoffnungsvollen Anwärtern abholte, war es der fünfte Durchlauf.
    Ein kleines Jubiläum sozusagen. Sie hatten sich auf Hummer und eine Flasche Chablis daheim bei Ester geeinigt, um das Ganze ein wenig feierlich zu gestalten.
    Dreiundzwanzig Antworten.
    Nach der ersten so genannten Idiotenrunde (wo solche rausfielen, die nicht begriffen, dass man nicht mit der Hand auf einem Computer schreiben kann – oder die offenbar nur darauf aus waren, gewisse Muskeln oder ihren Bart zu präsentieren und anschließend in einer Frau zu masturbieren) blieben noch vierzehn übrig. Plus eine wild card. Den Ausdruck hatte Anna geprägt und eingeführt – aus sehr guten, und wie sich zeigen sollte, vorausschauenden Gründen – bei ihrem dritten Fischzug vor ziemlich genau einem Jahr.
    Nach dem nächsten, etwas genaueren Durchgang – nach Hummer und Chablis, aber vor Kaffee und Cognac, und mit Schwerpunkt auf so wichtigen Kriterien wie Graphologie und Formulierungskunst – war die Anzahl denkbarer Objekte auf vier gesunken. Plus die wild card.
    Sie machten eine Pause. Legten Nick Drake auf den CD-Player und wuschen ab. Richteten ein Kaffeetablett her und zogen um ins Wohnzimmer, auf die Sofas. Es war jetzt zehn Uhr und Zeit fürs Finale.
    »Der hier«, sagte Ester, »was hältst du von ihm? Ich muss sagen, dass er mich in deutlich höherem Maße anspricht als die anderen.«
    »Lies vor«, forderte Anna. Lehnte sich zurück und kostete von ihrem Cognac.
    Ester Peerenkaas las vor.
    »Normalerweise lese ich diese Spalten ja nicht, aber Deine Anzeige hat meine Aufmerksamkeit erregt – und warum eigentlich nicht? Ich bin Pilot und treibe mich in der Welt herum, habe aber meine Basis hier in Maardam. Zwei Ehen haben mich meine Jugend gekostet, zwei Kinder mein Geld, aber vierzig Jahre ist noch kein Alter, um zu sterben. Meine erste Frau hat mich das Lesen gelehrt – Maeterlinck, Kafka und die großen Russen –, meine zweite hat mich mit in die Oper geschleppt. Ich muss heute noch heulen, wenn ich das Duett aus den Perlenfischern höre, aber warum soll ich allein weinend zu Hause sitzen? Ich habe ein Haus auf einer griechischen Insel, aber sogar Griechenland hat zu dieser Jahreszeit seinen Charme verloren. Ich schlage stattdessen ein Essen und La Traviata vor, schließlich geht es auf Neujahr

Weitere Kostenlose Bücher