Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
als dass ich dich freilassen könnte. Du wirst in meinen Kerkern verfaulen, bis du gewillt bist zu reden. Vielleicht siehst du das Licht der Sonne heute zum letzten Mal …«, drohte Morfidio zornig und öffnete die Tür. »Wache! Bringt diesen Mann fort und sperrt ihn mit seinem Diener in das tiefste und dunkelste Verlies! Sie sollen Tag und Nacht bewacht werden, und niemand, absolut niemand, darf mit ihnen sprechen! Niemand!«
Arquimaes erschrak, als er hörte, was der Graf befahl, denn er wusste, dass dies das Todesurteil für Arturo bedeutete. Einen Atemzug lang überlegte er, ob er die Geheimformel preisgeben sollte, um das Leben seines Schülers zu retten. Doch er wusste, dass sie zu kostbar war, um sie diesem machthungrigen und skrupellosen Grafen anzuvertrauen. In Morfidios Händen würde sie zu einer furchtbaren, zerstörerischen Waffe werden.
»Wenn du wüsstest, worum es sich handelt …«, murmelte Arquimaes, als er alleine war, »… dann würdest du nicht zögern, mich in Stücke zu hauen, um meinem Herzen das Geheimnis zu entreißen.«
* * *
Als Arturo die Augen öffnete, sah er Arquimaes, der sich über ihn beugte und ihm den Schweiß von der Stirn wischte.
»Bewege dich nicht«, sagte der Weise zu ihm. »Du hast hohes Fieber.«
»Werde ich sterben, Meister?«
»Das bewahre Gott. Wir wollen hoffen, dass die Infektion zurückgeht und die Blutung endgültig zum Stillstand kommt. Aber du hast sehr viel Blut verloren.«
»Morfidio darf die Geheimformel nie bekommen!«
»Keine Sorge, Arturo. Nicht einmal unter Folter wird er mir auch nur ein Wort entreißen«, versprach Arquimaes. »Und jetzt ruh dich aus.«
»Die Formel ist viel zu wichtig. Wir müssen unbedingt verhindern, dass sie Morfidio in die Hände fällt!«, flüsterte Arturo, bevor er die Augen schloss und in die Welt der Dunkelheit eintauchte.
IV
Hinaus in die Welt
Ich heiße Arturo und lebe in der Stiftung Adragón, einem alten Palast, der sich mit den Jahren in eine außergewöhnliche Bibliothek verwandelt hat. Sie ist voller Bücher und Pergamente aus dem Mittelalter, 150.000 Exemplare, die meine Familie nach und nach gesammelt hat. Die Stiftung ist eine der meist geschätzten und am häufigsten besuchten Bibliotheken der Welt. Manche Werke hier sind so alt, dass man nicht einmal das genaue Erscheinungsdatum bestimmen kann. In der Stiftung Adragón gibt es Bücher, die so wertvoll sind, dass viele Experten aus dem Ausland hierherkommen, um sie zu studieren … So wie dieser Stromber.
D as Schuljahr hat angefangen, und obwohl es schon Mitte Oktober ist, scheint draußen die Sonne, und es ist noch gar nicht kalt. Ich sammle ein paar Blätter vom Boden auf, die ich als Lesezeichen benutzen will. Ich stelle mir vor, dass sich diese Blätter ausgezeichnet mit den Seiten der Bücher verstehen werden. Der Gedanke gefällt mir. Schließlich wird Papier aus Bäumen gemacht, und auch wenn manche Leute das schlecht finden, fällt mir keine bessere Verwendung für Holz ein, als es zu Büchern zu verarbeiten.
Wie immer treffe ich auf meinem Weg zur Schule Hinkebein, den Bettler, der jeden Tag stundenlang an der Ecke sitzt und um Almosen bittet. Er ist der einzige Freund, den ich außerhalb der Stiftung habe.
»Hallo, Hinkebein«, begrüße ich ihn.
»Hallo, Arturo, alles klar?«
»Ja, ich muss zur Schule. Wie geht’s dir? Hier, ich hab dir eine Apfelsine mitgebracht.«
»Danke, Kleiner. Du hast ein gutes Herz und eines Tages wirst du dafür belohnt werden. Großzügige Menschen wie du haben einen Platz im Himmel sicher!«
»Red keinen Unsinn«, antworte ich. »Sag mir lieber, wie es dir heute geht.«
»In letzter Zeit schlafe ich schlecht. Das ist der Wetterumschwung, er macht meinem Bein zu schaffen, dem verdammten Bein … Es tut weh«, sagt er und fährt sich mit der Hand über den Stumpf. »Die Teufel verschwören sich gegen mich.«
»Jetzt redest du schon wieder Unsinn. Ein Bein, das man nicht hat, kann einem nicht wehtun«, sage ich. »Das ist unmöglich.«
»Nicht für alles, was auf dieser Welt passiert, gibt es eine Erklärung«, entgegnet Hinkebein. »Wenn ich sage, es tut mir weh, dann tut es mir weh, klar?«
»Natürlich, natürlich.« Mein Blick fällt auf die Weinflasche, die aus seinem Mantel hervorlugt. »Ich glaube, heute wird ein schöner Tag«, sage ich.
»Für mich wird’s kein schöner Tag, da hab ich keine Hoffnung. Die Leute werden immer knickeriger, denen sitzt das Geld nicht mehr so locker wie früher.
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