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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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PROLOG
    N UR EIN EINZIGES Mal waren sie alle zusammengewesen, vor vielen Jahren, in ihrer Jugend, bevor all dies geschah. Aber diese Begegnung warf Schatten weit über die Jahrzehnte hinweg.
    Es war der erste Sonntag im November des Jahres 1947, um genau zu sein. Jeder von ihnen lernte all die anderen kennen – ein paar Minuten lang waren sie sogar alle in einem Zimmer. Manche vergaßen sofort die Gesichter, die sie sahen, und die Namen, die bei der förmlichen Vorstellung genannt wurden. Manche vergaßen sogar jenen Tag, und als er 21 Jahre später so wichtig wurde, mußten sie so tun, als erinnerten sie sich, und »Ach ja, natürlich« murmeln.
    Diese frühe Begegnung war ein Zufall, aber kein sehr verblüffender. Fast alle waren sie jung und begabt; waren dazu bestimmt, Macht zu besitzen, Entscheidungen zu fällen und Veränderungen zu bewirken – jeder auf seine Art, in seinem Land. Solche Menschen treffen sich in ihrer Jugend eben an Orten wie z. B. in der Universität Oxford. Davon abgesehen, wurden all jene, die anfangs nicht betroffen waren, in all diese Geschehnisse hineingezogen, einfach weil sie die anderen in Oxford kennengelernt hatten.
    Allerdings ließ damals nichts an eine historische Begegnung denken. Es war nur eine von vielen Sherrypartys an einem Ort, an dem es zu viele Sherrypartys gab (und, wie die Studenten immer hinzufügten, nicht genugSherry). Sie war kein Ereignis im besonderen, diese Party – jedenfalls fast.

    *

    Al Cortone klopfte an und wartete im Flur darauf, daß ein Toter ihm die Tür öffnete.
    Der Verdacht, daß sein Freund tot sei, hatte sich in den letzten drei Jahren zu einer Überzeugung verfestigt. Zuerst hatte Cortone gehört, daß Nat Dickstein in Gefangenschaft geraten war. Gegen Ende des Krieges verbreiteten sich Geschichten über das, was mit Juden in den Nazilagern angestellt wurde. Dann, ganz am Ende, wurde die bittere Wahrheit bekannt.
    Auf der anderen Seite der Tür scharrte ein Geist mit einem Stuhl über den Fußboden und tappte durch das Zimmer.
    Cortone wurde plötzlich nervös. Und wenn Dickstein verkrüppelt war, entstellt? Oder vielleicht verrückt geworden? Cortone hatte nie mit Krüppeln oder Geistesgestörten umzugehen verstanden. Er und Dickstein hatten enge Freundschaft geschlossen – für ein paar Tage, damals 1943 –, aber was war inzwischen aus Dickstein geworden?
    Die Tür öffnete sich, und Cortone sagte: »Hallo, Nat.« Dickstein starrte ihn an, dann verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen, und er brachte eine seiner komischen Cockney-Phrasen hervor: »Mensch, ich kipp’ ins Kraut!«
    Cortone grinste erleichtert zurück. Sie schüttelten einander die Hand, klopften sich auf den Rücken und ließen aus reiner Freude ein paar Soldatenflüche los. Dann gingen sie hinein.
    Dickstein besaß ein Zimmer mit hoher Decke in einem alten Haus, das in einem vernachlässigten Teil der Stadt lag. Ein Einzelbett, säuberlich nach Kasernenart gemacht; daneben ein schwerer, alter Kleiderschrank aus dunklemHolz mit einem entsprechenden Frisiertisch; ein mit Büchern überhäufter Tisch vor einem kleinen Fenster. Auf Cortone wirkte der Raum kahl. Wenn er hier wohnen müßte, würde er einige Habseligkeiten verteilen, damit das Zimmer eine persönliche Note bekäme: Fotografien seiner Familie, Souvenirs von den Niagarafällen und Miami Beach, seinen Football-Pokal aus der Schulzeit.
    »Ich möchte gern wissen, wie du mich gefunden hast«, sagte Dickstein.
    »Das war keine Kleinigkeit.« Cortone zog seine Uniformjacke aus und legte sie auf das schmale Bett. »Es hat mich fast den ganzen gestrigen Tag gekostet.« Er musterte den einzigen Lehnsessel des Zimmers. Beide Armlehnen neigten sich in merkwürdigem Winkel zur Seite, eine Feder stach durch die verwaschenen Chrysanthemen des Stoffes, und ein Bein war durch ein Exemplar von Platos Theaitetos ersetzt worden. »Können Menschen darauf sitzen?«
    »Nur, wer es nicht weiter als bis zum Sergeant gebracht hat, aber ...«
    »Die anderen sind sowieso keine Menschen.«
    Beide lachten. Es war ein alter Witz. Dickstein zog einen Thonet-Stuhl vom Tisch heran und setzte sich rittlings darauf. Er betrachtete seinen Freund einen Moment lang von oben bis unten und sagte: »Du wirst dick.«
    Cortone tätschelte die leichte Wölbung seines Bauches. »Wir leben gut in Frankfurt. Durch deine Entlassung hast du wirklich etwas verpaßt.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme, als habe er etwas Vertrauliches

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