Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwarze Festung

Die Schwarze Festung

Titel: Die Schwarze Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
schon die nächsten Schritte brachten sie in einen Bereich der Festung, die die Illusion einer zwar alten, aber unbeschadeten Welt aus Beton und Stahl nicht länger aufrechterhalten konnte. Die Wände zeigten Brandspuren, auf dem Boden lagen Scherben und Splitter, viele der in den Beton eingebauten Geräte und Versorgungsleitungen waren herausgerissen oder zerstört, und nur noch jede dritte oder vierte Lampe brannte, so daß aus dem kahlen Betonkorridor eine unregelmäßige Kette aus hellen und dunklen Flecken geworden war. Hartmanns überreizte Fantasie gaukelte ihm alles mögliche vor, was in diesen dunklen Bereichen zwischen dem Licht auf Net und ihn warten mochte. Doch er ging sogar ein wenig schneller, und sei es nur, um sich selbst Mut zu machen. Plötzlich aber ergriff Net seinen Arm und deutete nach vorn. Es dauerte fast eine Sekunde, bis Hartmann sah, worauf sie ihn aufmerksam machen wollte. Aus einer der zahlreichen offenen Türen, die von dem Korridor abzweigten, war eine Gestalt herausgetreten: groß, schlank, mit wirrem Haar und in ein einfaches, hinten offenes Nachthemd gekleidet. Aus seiner linken Armbeuge tropfte ein wenig Blut, wo er die Nadeln, mit denen sein Körper während des sechzig Jahre währenden Tiefschlafes an die Versorgungseinheiten angeschlossen war, einfach herausgerissen hatte, und auf seinem Gesicht lag der gleiche, benommene Ausdruck, den Hartmann vorhin auch auf Nets Zügen gewahrt hatte. Aber es war nicht einfach nur Müdigkeit, diese Benommenheit würde nicht weichen, wenn er nur ein wenig Zeit hatte, um völlig wach zu werden. Der Mann war zum Jared geworden, wie fast alle anderen, die vor sechzig Jahren freiwillig in den Tiefschlaf gegangen waren, um nach einem Jahrzehnt, einem Jahrhundert oder möglicherweise auch einem Jahrtausend den Kampf gegen die Invasoren neu aufzunehmen. Nein, nicht fast alle Männer, verbesserte sich Hartmann in Gedanken. Er war plötzlich sicher, daß das Drama bald ein Ende haben würde. Die Jared hatten sich nun auch die letzten Männer geholt. Irgend etwas war mit ihrem Geist geschehen während der Jahrzehnte, die sie geschlafen hatten, irgend etwas hatte nach ihrem Bewußtsein gegriffen und sie verändert. Der Mann wandte den Kopf, als sie weitergingen und sich ihm näherten, aber in seinen Augen war kein Erkennen, ja, eigentlich nicht einmal so etwas wie Leben. Rasch und ohne ihn wirklich aus den Augen zu lassen, gingen sie an ihm vorbei und näherten sich der Tür des Wachraumes. Sie war nur angelehnt. Durch eine der großen Glasscheiben, die die übrigen drei Wände bildeten, konnte Hartmann in den darunterliegenden Tiefschlafsaal blicken und sah, daß nun sämtliche Liegen verwaist waren. Die Einrichtung war zum Teil zertrümmert, aber er konnte nicht sagen, ob diese Schäden erst vor kurzem entstanden, oder Spuren der Kämpfe waren, die hier unten getobt hatten. Das ehemals sinnverwirrende Durcheinander von Monitoren und Kontrollinstrumenten, das die vierte Wand des Raumes bedeckte, war ebenso erloschen wie das System der Computer, das es gesteuert hatte, aber Steinberger saß mit dem Rücken zur Tür hinter seinem Schreibtisch und stand auf, als er ihre Schritte hörte. »Was ist hier los?« fragte Hartmann. Seine Stimme klang nicht so sicher, wie er es gern gehabt hätte. Sie verriet mehr von seiner Furcht, als ihm recht war. Aber wenn Steinberger das überhaupt bemerkte, so überspielte er es meisterlich. »Sie sind alle aufgewacht und gegangen«, sagte er. »Alle?« vergewisserte sich Hartmann, obwohl das völlig überflüssig war. »Fast alle«, entgegnete Steinberger. »Bis auf die, deren Überlebenssysteme ausgefallen waren.« »Alle zugleich?« wunderte sich Net. »Aber wieso so plötzlich?« »Wir brauchten sie«, sagte Steinberger. Es verging eine Weile, bis Hartmann begriff. »Wir?« Steinberger nickte und lächelte. Und plötzlich war dieses Lächeln nur noch ein Verziehen der Lippen ohne irgendeine Bedeutung. Seine Augen blieben kalt, kalt und leblos, und wenn überhaupt irgendein Gefühl darin war, so war es eines, das Hartmann nicht verstand und nicht verstehen wollte. »Sie auch?« fragte er schaudernd. Wieder lächelte Steinberger. »Wir brauchen Ihre Hilfe, Herr General«, sagte er. Hartmann lachte bitter. Die Waffe in seiner Hand deutete immer noch auf den Soldaten, aber seine Finger zitterten plötzlich so stark, daß er nicht mehr die Kraft hatte, sie zu halten. »Hilfe?« fragte er mit zitternder Stimme.

Weitere Kostenlose Bücher