Die Schwarze Festung
Sein Blick glitt über die verwaisten Liegen hinter der Glasscheibe, über die sinnlos gewordenen, blinkenden Lichter auf den winzigen Computern neben den Betten, über die zertrümmerte Einrichtung. »Was wollt ihr denn noch?« murmelte er. Steinberger antwortete nicht, aber fast in der gleichen Sekunde hörte Hartmann Schritte hinter sich. Einen Moment lang blickte er den zum Jared gewordenen Soldaten noch durchdringend an, ohne in seinem Gesicht irgend etwas anderes zu erkennen als dieses leere, bedeutungslose Lächeln, dann drehte er sich herum – und fuhr überrascht zusammen. Seine Augen weiteten sich, als er die Gestalt erblickte, die unversehens hinter ihm erschienen war. »Sie?« murmelte er.
*
Das Vorwärtskommen auf der Außenseite der Station erwies sich als schwieriger und gefährlicher, als Charity befürchtet hatte. Sie war nicht nur die einzige, die Erfahrung darin hatte, sich im freien Raum zu bewegen. Sie schien auch die einzige zu sein, der ihre Umgebung nicht Todesangst einflößte; abgesehen vielleicht von Abn El Gurk, der jedoch durch den viel zu großen Vakuumanzug so sehr behindert wurde, daß er ununterbrochen mehr taumelte als vorwärtsging. Charity hatte den anderen nichts von ihrem kurzen Gespräch mit Gurk erzählt. Und so unglaublich es ihr im ersten Moment auch vorkam – selbst Stone schien nicht zu ahnen, was es wirklich war, das sich da in rasendem Tempo unter ihnen drehte. Die Blicke, mit denen er die unheimliche Konstruktion musterte, spiegelten Neugier wider, aber keine Furcht. Charity hatte Gurk auch nicht gefragt, was genau sie sich unter einer Black-Hole-Bombe vorzustellen hatte; aber ihr astronomisches Grundwissen reichte durchaus, um dem nagenden Gefühl von Furcht in ihr immer neue Nahrung zu geben. Sie hatten das silberne Riesenrad der Station zu einem Viertel umkreist und einen Punkt erreicht, von dem aus sie beinahe die ganze Anlage überblicken konnten. Charity blieb stehen, winkte French zu sich heran und schaltete den Helmfunk ein. »Wo müssen wir hin?« fragte sie. In Frenchs Blick lag nur Verwirrung und Unverständnis, und sie machte eine deutende Geste hinter sich und fragte: »Ihre Leute. Der Hort, wie Sie es nennen. Wo liegt er?« French antwortete nicht gleich. Sein Blick irrte unstet über die gewaltige Konstruktion. Es fiel ihm immer schwerer, seine Panik zu unterdrücken. »Ich ... ich weiß es nicht«, gestand er schließlich. »Sie wissen es nicht?« Charity runzelte zweifelnd die Stirn. »Sie wissen nicht, wie der Ort aussieht, an dem Ihre Leute leben?« »Ich ... war niemals hier«, sagte French nervös. Mit einem Ruck sah er auf und starrte Charity aus angstgeweiteten Augen an. »Das ist die Tote Zone«, stammelte er. »Das Draußen. Niemand lebt hier. Es tötet die Menschen.« Zorn stieg in Charity empor und erlosch fast im gleichen Moment wieder, als sie begriff, daß French die Wahrheit sagte. »Sie wollen damit sagen, Sie haben den Hort niemals von außen gesehen?« vergewisserte sie sich. French nickte. »Niemand geht nach draußen«, sagte er. »Nur die Toten.« Charity war enttäuscht. »Beschreiben Sie ihn«, verlangte sie. »Wie sieht dieser Hort aus? Wie groß ist er? Gehört er zur Station, oder befindet er sich außerhalb?« Frenchs Blick machte ihr klar, daß er nicht einmal die Frage verstand. »Ich ... weiß es nicht«, stammelte er. »Er liegt hinter der Toten Zone, und ...« Charity unterbrach ihn. »Die Tote Zone?« Plötzlich begriff sie, daß es ihr Fehler gewesen war. Sie hatte ganz automatisch bisher angenommen, daß French mit der Toten Zone den leeren Raum gemeint hatte. »Es ist ... wie hier«, murmelte French verstört. »Genau wie hier, aber ganz anders.« »Aha«, seufzte Charity. »Es gibt keine Luft dort«, erklärte French. »Und es ist kalt. Alles ist zerstört.« »Zerstört?« hakte Charity nach. French nickte heftig. Für einen Moment konnte Charity nicht verstehen, was er sagte. »... haben die Spinnen versucht, sie zu reparieren. Aber wir haben sofort alles wieder zerstört. Pearl sagte, daß wir das tun sollten. Er hatte Angst, daß sie in den Hort kommen, wenn die Tote Zone nicht mehr da ist.« Charity überlegte angestrengt. Frenchs Worte ließen eigentlich nur einen Schluß zu, nämlich, daß das Versteck seiner Leute in einem Teil der Raumstation lag, der beschädigt worden war. So schwer beschädigt, daß die Moroni es offensichtlich nicht für wert befunden hatten, allzuviel
Weitere Kostenlose Bücher