Die Schwarze Festung
stehen und tat etwas, was ihn im ersten Moment selbst überraschte: Er machte eine einladende Handbewegung und sagte: »Komm mit.« Auch Net wirkte überrascht. Sie waren so etwas wie Verbündete; aber irgendwie hatten sie sich bisher beide wie nach der unausgesprochenen Vereinbarung verhalten, ganz bestimmt keine Freunde zu sein. »So?« fragte sie schließlich mit einer Geste auf ihren Aufzug. Hartmann zuckte mit den Achseln. »Warum nicht?« Er lächelte matt, als er Nets neuerliche Verwirrung bemerkte, und ging weiter. Was immer dort unten geschehen war – über eines war er sich im klaren: Es war nichts, was sie mit Waffengewalt würden ändern können. Net zögerte noch einen Moment, beeilte sich aber dann, ihm zu folgen. Das Heulen der Alarmsirenen war verstummt, als sie aus dem Gebäude traten, aber in der riesigen Höhle herrschte trotzdem helle Aufregung. Hartmanns Befehl, die Männer vorsorglich in Alarmbereitschaft zu versetzen, wäre absolut nicht mehr nötig gewesen, denn gut die Hälfte seiner verbliebenen Truppe war ohnehin aus ihren Quartieren gekommen. Einige standen in kleinen Gruppen beisammen und debattierten heftig, andere liefen mit unruhigen, nervösen Schritten auf und ab oder standen einfach reglos da und blickten die Höhle des gewaltigen Felsendomes an, aber auf allen Gesichtern las Hartmann nur ein Gefühl: Angst. Da es ohnehin unmöglich gewesen wäre, hatte er erst gar nicht versucht, den Männern zu verheimlichen, was draußen vorging. Eines quälte ihn mehr als die gewaltige Moroni-Armee, die draußen aufmarschierte, nämlich die Frage: Wer würde der nächste sein? Wer würde als nächster aufstehen oder sich auch mitten in einem Gespräch oder einer anderen Tätigkeit plötzlich umdrehen und den Bunker verlassen, um sich den Jared anzuschließen, jenen unheimlichen Zwitterwesen, die wie Menschen aussahen, aber längst keine Menschen mehr waren? Hartmann verscheuchte den Gedanken und ging schneller weiter, um zu den Aufzügen zu gelangen. Einige der Männer, an denen er vorüberkam, blickten ihn mit einer Mischung aus Furcht und Neugier an, und zwei oder drei machten auch Anstalten, ihn anzusprechen, taten es aber dann doch nicht, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkten. Hartmann war sehr froh darüber. Er hätte nicht gewußt, was er ihnen sagen sollte. Die Liftkabine kam. Hartmann schüttelte wortlos den Kopf, als zwei Soldaten sich ihnen anschließen wollten. Die Männer wirkten ein wenig überrascht, traten aber gehorsam einen Schritt zurück, so daß sich die Lifttüren schließen konnten und die Kabine summend in die Tiefe glitt. Der Weg nach unten war ihm noch niemals so lang vorgekommen. Vielleicht, weil er noch niemals mit dem Bewußtsein hinuntergefahren war, daß es eine Rückkehr für ihn vielleicht nicht mehr geben würde. Wieder verfluchte Hartmann die Tatsache, daß sie so erbärmlich schlecht ausgerüstet waren. Dieser Bunker war vielleicht das modernste Bauwerk seiner Art, das es auf der ganzen Welt gegeben hatte, und er war dazu konzipiert und erbaut worden, seinen Bewohnern auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus ein Überleben unter einer strahlenverseuchten, unbewohnbaren Oberfläche zu garantieren. Aber annähernd sechzig Jahre hatten ihren Preis gefordert, und der letzte Angriff der Jared hatte nicht mehr sehr viel übriggelassen. Sie hatten einfach keine Ersatzteile, um die zerstörten Video- und Sprechfunkverbindungen zu reparieren. Der Aufzug hielt mit einem Ruck an. Hartmann zog wider besseres Wissen seine Pistole und gab Net ein Zeichen, zurückzubleiben. Mit klopfendem Herzen verließ er die Kabine, sah sich rasch nach rechts und links um und atmete erleichtert auf. Sie waren allein. Von irgendwoher glaubte er Stimmen und Geräusche zu hören, aber viel zu leise, als daß er auch nur die Richtung ausmachen konnte, aus der es kam. In Gedanken versuchte er rasch, sich den Plan der unterirdischen Bunkeranlage vor Augen zu führen. Er war bisher sehr selten in diesem Teil der Festung gewesen Und wozu auch? Daß ausgerechnet er eines Tages das Kommando über diesen Bunker übernehmen würde, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. »Wir müssen nach links«, sagte er. Er machte Anstalten, seine Waffe wieder einzustecken, tat es dann aber doch nicht, obwohl er sehr genau wußte, daß die Pistole nur den einzigen Zweck erfüllte, ihn selbst zu beruhigen. Das Stimmengewirr wurde lauter, als sie eine Verzweigung erreichten, und
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