Die schwarze Hostie
Bequemlichkeit. Er liebte diesen Ort. Hier fühlte er sich in seinem Element, geschützt durch die unendliche Weite der Sahara, ihrer tödlichen Kargheit und Menschenfeindlichkeit.
Er würde ein paar Stunden dort bleiben, so lange, bis er seine Kräfte regeneriert hatte, und dann zurückkehren, um Sariel in Sicherheit zu bringen. Der Gedanke, sie zurückzulassen, gefiel ihm nicht, aber er war noch nicht stark genug, um ihr jetzt schon helfen zu können.
Das Bild der flimmernden Glut vor Augen, die die Wüste zu dieser Tageszeit erfüllen würde, löste er sein stoffliches Sein auf.
Der Aufprall war heftig und raubte ihm für einen Augenblick den Atem. Die unsanfte Landung bewirkte eine abrupte Transformation in seinen menschlichen Körper.
Er lag auf dem Boden … auf … einem Teppich?
„Beeindruckend.“ Ohne aufzusehen, schrieb Torsten Halder in ein Journal. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so schnell in der Lage sein würden, die Kälte zu überwinden.“ Der Banker hob den Kopf und streifte Alexander mit einem Blick, der vollkommen emotionslos war.
„Setzen Sie sich.“ Mit einer knappen Geste zeigte Halder auf einen Sessel, der vor seinem Mahagonischreibtisch stand. Alexander hatte sich in Halders Bibliothek materialisiert. Ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Wenn es denn ein Fehler war …
Dem neuen Zeitalter entsprechend gab es hier nicht nur etliche Bücher, sondern eine umfangreiche CD-und DVD-Kollektion. Ein großer Flachbildschirm dominierte Halders Schreibtisch.
Noch immer erschöpft von der Kraftanstrengung, stand Alexander auf, versuchte das Zittern seiner Beine zu unterdrücken und bewegte sich auf den Sessel zu. Dann setzte er sich und unterzog den Banker einer eingehenden Musterung.
Halder war etwa sechzig Jahre alt. Seine stahlgrauen Haare passten zu den Augen, deren innere Kälte keine Gefühle preisgab. Seine Haltung ließ auf einen militärischen Hintergrund schließen. Seine Körper war trotz seines fortgeschrittenen Alters schlank und durchtrainiert. Alles an ihm verriet ein Übermaß an Disziplin.
„Man begegnet nur selten einem Ifrit, der … wie soll ich es ausdrücken? …, dumm ist?“
„Dumm?“ Noch während Alexander dieses Wort wiederholte, breitete sich die Erkenntnis in ihm aus. Der Banker hatte recht. Der Fluchtversuch, die Tatsache, dass er unvorbereitet in Halders Falle getappt war - er hatte sich wie ein Tölpel benommen. Wie ein Anfänger, der …
„Wie schön. Selbsterkenntnis stärkt den Charakter.“ Der Spott war nicht zu überhören. Halder spielte mit ihm. Das Bild einer Katze schob sich in Alexanders Gedanken. Einer Katze, die mit einer Maus spielte. Wie hatte ihm ein solcher Fehler unterlaufen können? Wie war es möglich, …?
Wieder unterbrach der Banker seine Gedanken. „Sie wundern sich, warum Sie hier sind. Nicht wahr?“
Statt einer Antwort nickte Alexander. Er würde Halder nicht verraten, dass er bereits wusste, was dieser mit ihm vorhatte.
„Vielleicht mag ich es nicht, wenn man mich töten will“, sinnierte der Banker, lehnte sich in seinem Sessel zurück und maß Alexander mit seinem Blick.
„Das ist nicht der wahre Grund“, murmelte Alexander. Sein Kopf wurde schwer, sein Körper schien mit Bleigewichten nach unten gezogen zu werden. Es war anstrengend, einen klaren Gedanken zu fassen. Trotzdem schaffte er es, an einer Gewissheit festzuhalten. Sein Eindringen in Torsten Halders Gedankenwelt musste sein Geheimnis bleiben.
„Oh nein. Nicht so schnell.“ Ein schwacher Stromschlag fuhr durch seinen Körper. Energie. Nicht genug, um ihn zu kräftigen, doch so viel, um zu verhindern, dass die Dunkelheit gewann.
„Anscheinend habe ich Ihre Kräfte überschätzt. Wie dumm von mir.“ Der Banker lachte, aber Alexander konnte dem nichts entgegensetzen. Außer einer Frage:
„Was wollen Sie von mir?“
Statt Worte ließ Halder Bilder in seinem Kopf entstehen. Visionen, die einen Teil seiner Pläne so deutlich zeigten, als würde Alexander sie auf dem Fernseher verfolgen. Natürlich würde er ihn umbringen. Zuvor aber würde er sich jede seiner Fähigkeiten aneignen. Das Wichtigste aber zeigte Halder ihm nicht: Sein Plan, eine schwarze Hostie zu kreieren, sollte wohl das Geheimnis des Bankers bleiben.
6
Es mussten Stunden vergangen sein, bis er es schaffte, die Augen zu öffnen. Wie Bleigewichte lagen die Lider auf den Pupillen. Er benötigte seine ganze Kraft, um wieder zu sehen. Was er erblickte, war nicht
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