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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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diese neuen Moden nichts als Mummenschanz und Theater und ganz bestimmt keine respektvolle Art, den Allmächtigen anzubeten.«
    »Aber jetzt sind es die Domherren, die zur Low Church neigen, die ihren Willen bezüglich der Orgel durchsetzen?«
    »Ja. Es hat ganz den Anschein, als hätte er die meisten von ihnen in der Tasche. Und koste es, was es wolle, und egal, was für ein Schaden angerichtet wird, er muß unbedingt die Orgel haben, die er sich einbildet.«
    Ich nahm an, daß er immer noch vom Organisten sprach. »Haben die anderen Domherren denn nichts dagegen unternommen?«
    »Dr. Locard hat es versucht, aber er wurde überstimmt. Genau wie bei dieser neuen Auseinandersetzung wegen der Schule.«
    Ich wußte, wer Dr. Locard war. »Was ist mit der Schule?« fragte ich und überlegte, ob es vielleicht ein Problem gab, das auch Austin betraf, und wenn ja, ob das womöglich der Grund war, warum er mich eingeladen hatte. Er war immer schon impulsiv und zügellos gewesen und machte sich wenig Gedanken über die Zukunft; das könnte ihn heute in Schwierigkeiten gebracht haben, wie es ihn auch in der Vergangenheit schon in Schwierigkeiten gebracht hatte.
    Der alte Küster schien zu bemerken, daß er drauf und dran war, sich einer Indiskretion schuldig zu machen, und murmelte: »Das wird bei der nächsten Sitzung des Domkapitels entschieden. Mehr weiß ich nicht.«
    »Wann findet die nächste Sitzung denn statt? Die Domherren sollten auch darüber nachdenken, ob sie diese Arbeiten nicht lieber abbrechen wollen.«
    »Am Donnerstag vormittag.«
    »Dann ist es zu spät!«
    Ich drehte mich um und eilte die Stufen hinunter und quer durch den Chor auf die Handwerker zu. »Sind Sie der Vorarbeiter?« fragte ich den Mann mit dem Bart.
    Er sah mich neugierig an. »Ja, der bin ich.«
    Die Männer unterbrachen ihre Tätigkeit und hörten zu. »Lieber Mann, Sie können diese Rohrleitungen nicht hier durchlegen.«
    »So, und warum nicht?«
    Sein Tonfall paßte mir ganz und gar nicht. »Sie werden ernsthaften Schaden anrichten.«
    »Ich tue, was angeordnet wird«, erwiderte er. »Warten Sie«, fing ich an. »Gestatten Sie mir …«
    »Ich erhalte meine Anweisungen von Mr. Bulmer und Dr. Sisterson und von sonst niemand«, fiel er mir ins Wort und bedeutete seinen Leuten, mit der Arbeit fortzufahren. Sie wechselten amüsierte Blicke auf meine Kosten, und einer von ihnen begann wieder, seine Spitzhacke zu schwingen.
    Ich ging zum Küster zurück. »Wenn es schon unbedingt sein muß, dann sollten sie die Rohrleitungen an anderer Stelle verlegen, wo sie weniger Schaden anrichten.«
    »Sie haben recht. Aber woher wissen Sie das, Sir? Bei allem Respekt, ich glaube nicht, daß ich Sie schon einmal hier gesehen habe.«
    »Ich bin auch noch nie hier gewesen. Aber ich habe eine Studie über die Bauweise von Kathedralen geschrieben, und über die hier habe ich sehr viel gelesen.«
    »Wohin, meinen Sie denn, sollten die Röhren verlegt werden?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher. Dürfte ich wohl auf die Orgelempore hinaufgehen? Auf die alte. Von dort oben könnte ich es besser erkennen.«
    »Nur zu, Sir.«
    »Bereite ich Ihnen auch keine Ungelegenheiten?« fragte ich. »Sie wollen nicht gerade abschließen?«
    »Nicht im geringsten, Sir. Gewöhnlich schließen wir nach dem Abendgottesdienst ab, aber heute und morgen abend werden die Männer bis acht oder neun Uhr arbeiten, und ich muß hierbleiben, bis sie fertig sind, und dann die Tür des Querschiffs hinter ihnen absperren; die ist immer als letzte dran.«
    »Warum arbeiten die Leute so lange?«
    »Sie müssen bis Freitag fertig werden. Am Freitag nachmittag soll eine große Wiedereinweihungsfeier für die Orgel stattfinden, und der Bischof selbst wird den Gottesdienst leiten. Darum hat auch der Chor heute noch so spät geübt.«
    Er nahm die Laterne vom Grabmal und ging vor mir her durch das Presbyterium zu einer kleinen Tür gleich hinter dem Chorgestühl. Zu meinem Entsetzen hatte man einen Teil der alten Vertäfelung abgenommen, und ein paar von den Brettern lehnten quer vor der Tür.
    »Ich werde nicht mit hinaufkommen, Sir. Bei meinen rheumatischen Gelenken ist das schwierig. Können Sie sich an den Brettern vorbeizwängen? Sie haben sie abmontiert, um an der Empore zu arbeiten.«
    »Aber sie werden doch wieder angebracht?«
    »O ja, Gott sei Dank. Aber diese Tür war zwei Wochen lang blockiert.«
    Er reichte mir die Laterne. Ich erklomm die Treppe und fand mich auf der Orgelempore wieder,

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