Die Schwarze Schwesternschaft
liebt…
Sie können mich nur töten, und darauf kommt es nicht an. Das Sterben tut weh, nicht der Tod.
Und dann fragte sie sich, ob sie sich das alles nur eingebildet habe, denn Cholayna erklärte mit angestrengter Geduld, sie glaube nicht, dass eine Gefahr dieser Art vorhanden sei.
»Niemand hat mich vor eine solche Wahl gestellt. Und mit allem Respekt, ich kann nicht glauben, dass diese rivalisierenden Schwesternschaften - oder was sie sind - sich aufführen wie einer der alten legendären Diktatoren oder Gehirnwäsche-Experten und sie zwingen, sich zwischen Tod und Entehrung zu entscheiden. Wie absurd melodramatisch!« Sie beugte sich zu der alten Frau vor und wurde sehr ernst.
»Immer wenn ich Leute sagen höre, es gebe Dinge, die wichtiger seien als Leben und Tod, frage ich mich, wessen Leben sie aufs Spiel zu setzen planen. Selten ist es ihr eigenes.«
Das zahnlose Lächeln der alten Frau war sanft und fast verzweifelt.
»Du meinst es gut, aber du bist unwissend, Tochter Chandrias. Avarra gewähre dir ein langes Leben, damit du die Weisheit erwirbst, die deiner Kraft und deinem guten Willen entspricht.«
Marisela stand auf, als sammele sie die verstreuten Fäden ihrer Diskussion ein.
»Wir müssen gehen, solange das Wetter hält. Seid ihr fertig?«
Jaelle sagte leise: »Habe ich es nicht gewusst, Magda? Es war eine Warnung, uns bereitzuhalten.«
Camilla steckte die Hände in die Jackentaschen und fragte: »Wohin?«
»Zu dem Ort, den ihr sucht. Wohin sonst?«
»In die Stadt der… «
»Still«, fiel Marisela schnell ein, »sprich es nicht aus. Das ist mein Ernst! Worte und Gedanken haben Macht.«
»Oh, im Namen der Göttin oder aller Dämonen Zandrus, Marisela, erspare mir deinen mystischen Quatsch!«
»Das wagst du mir zu sagen? Du weißt es besser, so sehr du dich auch bemüht hast, es zu blockieren, Elorie Hastur.«
Camilla legte tatsächlich die Hand an das Heft ihres Messers.
»Verdammt sollst du sein, mein Name ist Camilla n’ha Kyria!«
Marisela sah sie an, bis sie den Blick senkte.
»Und du behauptest immer noch, Namen hätten keine Macht, Camilla?«
Camilla ließ sich sprachlos auf eine Bank fallen.
Magda machte sich ruhig daran, ihre Habseligkeiten einzusammeln. Der tagelange erzwungene Aufenthalt hatte aus dem Raum ein Zigeunerlager gemacht, obwohl sie sich Mühe gegeben hatten, ihn ordentlich zu halten. Die alte Frau erhob sich steif. Marisela bückte sich und half ihr. Camilla pflanzte sich vor ihr auf.
»Großmutter vieler Geheimnisse! Ist der Unwissenden eine Frage erlaubt?«
»Wie sonst sollte sie etwas lernen?«, fragte die alte Frau mild.
»Woher wusstet Ihr - «, Camilla brach ab, schluckte und vollendete schließlich » - all das?«
»Für jene, die unter die Oberflächen sehen, Töchterchen - «, ihre Stimme war unendlich sanft » - steht es in jeder deiner Narben, in jedem Zug deines Gesichts geschrieben. In den Energien, die deinen Körper umgeben, liest man es so deutlich, wie ein Jäger die Spur des wilden Chervines liest. Sei unbesorgt, deine Freundin - «, sie nickte zu Marisela hin » - hat dein Vertrauen nicht missbraucht. Diese hier schwört es.«
»Sie konnte es nicht missbrauchen«, stellte Camilla brüsk fest. »Sie besaß es nicht.« Sie maß Marisela mit einem rätselhaften Blick, und Magda konnte die Worte beinahe hören: Hat auch sie in mir gelesen, weiß sie alles über mich?
Camillas Stimme klang abrupt und barsch, aber sie bediente sich des Gebirgsdialekts der alten Frau. »Ihr macht es zu Eurer Aufgabe, alte Namen und begrabene Vergangenheiten aufzustöbern. Darf ich dann nach dem Euren fragen, Mutter?«
Das zahnlose Lächeln war von abgeklärter Heiterkeit.
»Diese hier hat keinen Namen. Er wurde in einem anderen Leben vergessen. Wenn der Zeitpunkt kommt, wo du ihn wissen musst, Chiya, wirst du ihn so deutlich lesen, wie ich deinen lese. Avarra segne deinen langen Weg, Kleine. Wenige deiner Schwestern sind so geprüft worden. Wie soll die Frucht wachsen, wenn die Blüten nicht vom Baum geschnitten werden?«
Sie lächelte gütig und schloss die Augen, als komme der leichte Schlaf des Alters über sie. Marisela betrachtete Camilla beinahe mit Ehrfurcht, sprach jedoch nicht.
»Wann können wir aufbrechen? Es ist ein schöner Tag; nutzen wir ihn aus.«
In überraschend kurzer Zeit waren
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