Die Schwarze Schwesternschaft
Du hast keinen Grund, darauf zu verzichten, du noch weniger als die anderen. Doch ich stelle fest, dass keine von euch umgekehrt ist.«
»Das alles gehört nicht zur Sache«, kritisierte Vanessa. »Welche psychische Suche du auch im Sinn haben magst, Camilla, wir sind nur daran interessiert, Lexie und Rafaella zu finden.«
Nicht Camilla, sondern Marisela antwortete ihr.
»Bist du dessen ganz sicher, Vanessa? Auch du bist nicht umgekehrt. Hat dir die Reise keinen Gewinn gebracht? Ist deine Suche völlig selbstlos?«
»Ich wollte, du hörtest auf, in Rätseln zu sprechen«, murrte Vanessa. »Was hat das damit zu tun?«
»Alles«, behauptete Marisela. »Denke gut nach. Denn von deiner Antwort kann es abhängen, ob dir erlaubt werden wird weiterzuziehen. Freundschaft mag dich weit bringen, und bitte, glaube nicht, dass ich die gute Absicht, deinen Freundinnen zu helfen, verkenne. Aber auf lange Sicht, Vanessa ryn Erin -« Magda erschrak, dass sie nicht den Namen benutzte, unter dem Vanessa im Gildenhaus und in der Brücken-Gesellschaft bekannt war, sondern ihren terranischen, legalen Namen » - auf lange Sicht zählt nichts als deine eigenen Motive für diese Suche. Hast du nichts gewonnen?«
»Ist das verkehrt?«, fragte Vanessa aggressiv.
Marisela zögerte. Sie sah zu der Priesterin in ihren Lumpen hin, die gleichmütig auf der steinernen Plattform saß. Die alte Frau hob die Augen und sah Vanessa scharf an. Magda fürchtete schon, dass sie sie mit den schnellen, harten Worten, die ihr zu Gebote standen, angreifen werde. Aber ihre Stimme klang überraschend sanft.
»Sie fragt dich nicht nach richtig oder falsch, kleine Schwester. Deine Absicht ist gut, das wissen wir, sonst wärest du draußen im Sturm, ganz gleich, wie groß deine Not wäre. Hier findet niemand Zuflucht, der seinen Mitmenschen Schaden zufügen will. Deine Schwester möchte nur wissen, ob du unter vielen guten Dingen etwas gefunden hast, das für dich allein ist und dir gefällt. Sprich die Wahrheit und fürchte nichts.«
»Ich kann nicht glauben, dass deine Frage so gemeint war«, sagte Vanessa ungeduldig. »Ja, einer der Gründe, warum ich die Reise mitgemacht habe, ist, dass ich diese Berge sehen und einige von ihnen besteigen wollte. Diese Chance würde nie wiederkommen, und ich war bereit, dafür eine Menge auf mich zu nehmen. Das heißt aber nicht, dass es mir nicht ernst damit war, Lexie und Rafaella zu suchen.«
»Ich wusste gar nicht, dass du sie so gern mochtest«, bemerkte Marisela.
»Das Gernhaben hat gar nichts damit zu tun!«, fuhr Vanessa auf. »Sie ist nicht meine Liebhaberin oder meine Busenfreundin oder Vertraute, ich bin doch nicht - nun, ich weiß, hier ist es Brauch, und niemand denkt sich etwas Böses dabei, aber Frauen als Liebhaber interessieren mich nicht. Wir waren zusammen in der Ausbildung, und sie ist in Schwierigkeiten. Sie braucht Freunde, und sie hat nicht viele. Wenn ich in Not wäre, würde sie mir sicher auch helfen. Was hat all euer Gerede über Schwesternschaft zu bedeuten - und ich meine nicht dies Zeug über Geheimbünde und dergleichen -, wenn ich einer Freundin nicht helfen soll? Und Rafaella, nun, sie ist Bergsteigerin. Ich respektiere sie. Verstehst du so etwas nicht?«
Die alte Frau lächelte, aber Vanessa achtete nicht auf sie. Marisela nickte Vanessa zu. Es war fast eine Geste formeller Anerkennung.
»Rafaella und ich machten im Thendara-Gildenhaus gemeinsam unser Hausjahr durch«, sagte Marisela. »Mir kommt es vor, als sei das schon lange her. Auch ich sorge mich um sie, und nicht zuletzt deswegen bin ich hergekommen. Sie hat das Recht auf ihre eigene Suche, auch wenn das, was sie sucht, Reichtum ist. Ich fürchtete jedoch, sie werde in tiefes Wasser geraten, wo sie nicht schwimmen kann, während sie glaubt, nur ihren legitimen Geschäften nachzugehen. Ich wusste, Jaelle war ihretwegen beunruhigt, und wenn es nur um schlechtes Wetter und gefährliche Wege gegangen wäre, hätte man es ihr und dir überlassen können, Rafaella zu Hilfe zu eilen. Aber es sind andere Dinge mit im Spiel. Ich hoffte, sie davon abhalten zu können, dass sie sich hineinstürzt, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben.« Sie seufzte schwer. »Ihr habt sie also nicht eingeholt?«
»Wie du siehst«, bemerkte Camilla trocken. »Als ob du, eine Leronis, das nicht wüsstest… «
»Ich bin ebenso wenig allwissend wie du, Camilla. Bis ich hier
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