Die Schwarze Schwesternschaft
Vanessas Spuren. Camilla stellte sich hinter Magda, bereit, das Seil mit aller Kraft zu sichern, sollte eine der beiden Frauen abstürzen. Sie waren jetzt außer Sicht. Magda, von Camilla um die Taille festgehalten, atmete schwer. Zum Teil war es Angst, der Rest war Hilflosigkeit. Sie war hier zu nichts nütze, sie war keine Bergsteigerin. Sie konnte nur das Seil umklammern und auf ihre Freipartnerin vertrauen.
»Das ist genug«, flüsterte Camilla - oder hatte sie es nur gedacht? In dieser Stille, in der Einsamkeit der Bergwelt, wo sich kein anderer Geist eindrängte, brauchte Magda sich nicht gegen das telepathische Gesumm der Städte und Menschenmengen abzuschirmen. War das der Grund, dass sie fast ständig in Kommunikation mit Camillas Geist stand? Sie wusste es nicht, und sie hatte jetzt auch zu viel anderes, worüber sie nachdenken musste. Doch sie lehnte sich an Camilla, die sie fest umarmte und ihr Gewicht hielt, während das Seil, an dem unten die beiden Kletterer hingen, sich spannte. Magdas Kehle und Nase schmerzten, so ausgedörrt waren sie. Die trockene Kälte großer Höhen dehydrierte Kopfhöhlen und Schleimhäute, und Magda konnte an nichts anderes mehr denken als daran, wie gern sie etwas zu trinken hätte. Für Jaelle und Vanessa, die gegen Eis und Geröll kämpften, musste es noch schlimmer sein.
Das Seil wurde schlaff, und für einen Augenblick geriet Magda in Panik. Sie fürchtete, es sei gerissen, die beiden seien abgestürzt… Dann drang von irgendwo unten ein lauter Ruf zu ihnen.
»Alles in Ordnung. Auf dieser Route geht es. Ich komme nach oben.« Das war Jaelles Stimme, und nach langer Zeit kam sie wieder in Sicht. Vorsichtig kletterte sie zu ihnen hoch.
Vanessa folgte ihr, gebückt und schwer atmend.
»Ich möchte etwas trinken«, stöhnte sie, und Cholayna holte die Wasserflasche und reichte sie den Kletterern.
Als Jaelle wieder zu Atem gekommen war, berichtete sie: »Es geht ganz gut und ist nicht einmal sehr steil. Eine schwierige Stelle ist da mit losem Geröll. Wir müssen die Pferde eins nach dem anderen sehr vorsichtig hinüberführen, damit sie nicht stolpern. Jeder von uns könnte sich dort verdammt leicht ein Bein brechen. Aber sonst ist der Boden überall fest, und wir haben von dem losen Zeug weggetreten, so viel wir konnten. Unten geht dann der Weg weiter. Er ist schmal, aber er ist da. Ich glaube, wir schaffen es. Cholayna werde ich selbst über das gefährliche Stück bringen.« Sie trank noch einmal und keuchte. Aber als Camilla sie besorgt ansah, erklärte sie kurz: »Mir geht es gut, mach kein Theater«, und Magda war klug genug, keine Unruhe zu zeigen.
»Teile Brot und Käse aus, wir essen besser hier zu Mittag«, sagte Vanessa. »Und wenn eine von euch persönliche Dinge zu erledigen hat, muss sie es hier tun. Da unten gibt es keine Stelle, wo man vom Weg abweichen könnte.«
»Wie ich mich erinnere«, witzelte Cholayna, »gibt es gar keinen Weg, von dem man abweichen könnte.«
Sie kauten ein paar Mund voll Brot und Käse, und Jaelle verteilte mit großer Sorgfalt die Lasten für die Chervines neu. Endlich waren sie fertig zum Absteigen. Jaelle ergriff den Führungszügel der Packtiere.
»Sie werden den Pferden folgen. Aber sie finden den Weg besser als wir.« Sie begann abwärts zu klettern. »Lasst mir einen Vorsprung von etwa vierzig Fuß. Dann kommst du mir nach, Magda. Dann du, Camilla. Dann Cholayna. Ich hole die anderen Pferde später. Vanessa, bleibst du zurück für den Fall, dass jemand in Schwierigkeiten gerät, ja?«
»Mach ich.«
Magda ergriff den Zügel ihres Pferdes und betrat den schmalen Pfad, auf dem Jaelle ihr vorausging - nicht mehr als eine Spur von Füßen und Hufen. Der Schnee war hart, und das Schnauben der Chervines, die sich hinter ihr einen Weg suchten, klang laut. Magda setzte Fuß für Fuß vorsichtig auf. Ihr Pferd wieherte und wollte nicht weiter, und sie hatte Bedenken, an dem Zügel zu ziehen.
»Komm, sei ein braves Mädchen.« Sie tätschelte dem Pferd die Nase und sprach ihm sanft Mut zu. Ein Stück weiter unten angekommen, hörte sie Camillas und Cholaynas Schritte hinter sich, dann wieder die frei laufenden, sich zusammendrängenden Chervines. Eins von ihnen scheute. Es bäumte sich rund um die frisch in den Schnee getretene Spur auf und galoppierte bergab. Die Glöckchen an seiner Last klingelten wild. Magda hoffte, dass die Gurte hielten und es ihnen
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