Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
vor Aufregung rötete, als er nach Verteidigungsargumenten für sie suchte. Sie nahm an, dass er das bisher selbst nicht bemerkt hatte, bis er sich jetzt gezwungen fühlte, sie zu verteidigen.
Es war Clymene wohl auch nicht allzu schwergefallen, Rivers’ Vertrauen zu gewinnen, obwohl er nach seinen eigenen Angaben nicht auf Gefangene hereinfiel, die sich bei ihm einzuschleichen versuchten. Ihm standen für seine Beratungsarbeit nicht viele Mittel zur Verfügung, und er hatte vermutlich nur selten echte Erfolgserlebnisse. Clymene hatte ihm nicht nach dem Munde geredet, wie er das von den anderen Insassinnen gewohnt war. Tatsächlich hatte sie ihn mit ihrer Vorgehensweise überrascht. Dass sie ihm ein – wenn auch kleines – Versprechen machte und dieses dann auch hielt, unterschied sie von den anderen Gefangenen. Darüber hinaus hatte er ja selbst erzählt, dass Clymene bei seinen Kursen kluge Fragen stellte und sich auch selbst einbrachte, was über ihr einfaches Versprechen, ihm vorurteilsfrei zuzuhören, weit hinausging. Das war vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber Rivers schien sie viel zu bedeuten. Clymene verstand es anscheinend meisterhaft, herauszufinden, was den Menschen wichtig war.
Ihre Aussage, sie habe Angst und suche einen sicheren Platz zum Arbeiten, war wahrscheinlich sogar richtig. Sie musste an einen Lieblingsspruch ihres Freundes Frank, eines Polizeiermittlers in Betrugsfällen, denken: Wahrheiten lassen die Lügen eines Betrügers glaubhaft erscheinen. Clymene war eine Meisterin in der Kunst, einzelne Wahrheiten zur Vertuschung ihrer Täuschungen zu verwenden.
Diane begriff jetzt auch, was Clymene im Schilde führte und warum sie bisher noch keine Berufung eingelegt hatte. Sie wollte sich zuerst eine Gruppe von Unterstützern schaffen. Der Staatsanwalt hatte Diane erzählt, dass zu ihrem Freundeskreis außerhalb der Gefängnismauern hauptsächlich Mitglieder ihrer Kirchengemeinde gehörten. Da machte es sich sicherlich nicht schlecht, wenn ihr nun auch der Gefängnispfarrer zur Seite stand.
»Das Gesundheitsamt untersuchte darauf die gesamte Praxis«, sagte Diane. »Dabei wurde nichts gefunden, was diese Infektion hätte erklären können.«
Der Pfarrer rutschte erneut auf seinem unbequemen Stühlchen hin und her, was die Haltbarkeit seiner Knöpfe wieder in Gefahr brachte. Sie konnte bereits sein weißes Unterhemd erkennen. »Hätten sie denn überhaupt etwas finden können? Wer weiß« – Rivers zuckte mit den Achseln –, »vielleicht gab es ja nur eine einzige kontaminierte Nadel.«
»Natürlich bestand diese Möglichkeit«, stimmte Diane zu, um ihm zu zeigen, dass sie seine Einwände ernst nahm. »Allerdings ging die Untersuchung danach noch weiter.«
»Ich glaube, wir sollten uns drüben an den Tisch setzen«, sagte er und deutete auf einen honigfarbenen Holztisch, auf dem eine Vase mit Seidenrosen stand. »Entweder werden die Stühle immer kleiner oder ich immer breiter.« Er ließ ein verlegenes Lachen hören und wand sich aus seinem Stühlchen empor.
Sie rückten sich zwei Holzstühle mit geraden Lehnen und vinylgepolsterten Sitzen an den Tisch und nahmen wieder Platz. Allerdings waren die auch nicht viel bequemer als die Schülerstühlchen, musste Diane denken.
»Ich glaube nicht, dass dieses Gefängnis viel Geld für Möbel ausgibt«, sagte Rivers.
»Oder für Farben«, ergänzte Diane, weil sie wusste, dass ihn das zum Lachen brachte.
Tatsächlich prustete Rivers los. »Ganz bestimmt nicht für Farben.« Dann seufzte er tief auf. »Ich möchte das alles verstehen«, sagte er und legte einen Arm auf den Tisch.
Diane nickte. Sie wusste, dass er mit »das alles« die Beweise gegen Clymene meinte.
»Archer O’Riley stammte aus einer alten Rosewooder Familie, einer alten reichen Familie. Viele seiner Freunde stammten aus derselben Schicht.« Diane war ihm einmal auf einer Sponsorenparty im Museum begegnet. Eingeladen hatte ihn Vanessa Van Ross, die größte Förderin des Museums und gute Freundin von Diane. Clymene hatte ihn damals nicht begleitet.
Vanessa war auch die Erste, die die Polizei nach seinem Tod auf Trab brachte. Aus Gründen, die Vanessa selbst nicht erklären konnte, hatte sie Clymene nie gemocht. »Irgendetwas an ihr schien mir nicht echt zu sein«, war alles, was sie Diane darüber sagen konnte.
»Eine Freundin von Archer O’Riley sowie dessen Sohn bestanden darauf, dass die Polizei Untersuchungen anstellte«, fuhr Diane fort. Sie erzählte ihm
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